Russlands Präsident Wladimir Putin scheint zu glauben, Demokratien seien schwach und verweichlicht, von angeblichem Genderwahn befallen, von Parteienstreit zerrissen und durch russische Trollfabriken manipulierbar. Eine Gaskrise, ein kalter Winter und die Demokratien würden wieder bettelnd vor seiner Tür stehen. Sein eigenes Volk hingegen, mit klarer Kante regiert, zeige sich widerstandsfähig selbst gegen das härteste Sanktionsregime.
Burkhard Weitz
Mag sein, dass Putin so manches gelang: ganze Gesellschaften zu polarisieren, Wahlkämpfe zu manipulieren, reiche Länder in eine Rohstoffabhängigkeit zu locken und mit seinen völkerrechtswidrigen Aggressionen gegen Tschetschenen, Syrer, Georgier und Ukrainer einigermaßen ungeschoren davonzukommen. Aber Demokratien sind lernfähig - und offenbar doch nicht bereit, alles hinzunehmen. Vielleicht spät, aber irgendwann doch ist auch bei ihnen eine Schmerzgrenze überschritten.
Weil in Demokratien alles öffentlich ausdiskutiert wird, mögen sie langsam und mühsam lernen. Dafür aber gründlich. Umgekehrt sind Autokratien kaum lernfähig und deshalb schwach, weitaus schwächer noch als Demokratien. Es fehlt schon an der nötigen Innovationsfreude. Selbst ein technisch so versiertes Land wie China ist bis heute nicht in der Lage, die ausgefeilten Computerchips westlicher Machart (vor allem die aus Taiwan) nachzubauen, von Russland ganz zu schweigen.
Korruption, Propaganda, schlechte Führung
Autokratien leiden unter Korruption. Dass die russische Armee angeblich über Jahre modernisiert wurde, ihr jetzt aber schon nach wenigen Monaten Ukraine-Krieg die modernen Waffen ausgehen, liegt wohl daran, dass zu viele Politiker ungestört in die eigene Tasche wirtschaften konnten und zu wenig von dem öffentlich zugewiesenen Geld bei der Armee tatsächlich ankam. Auch Demokratien leiden unter Korruption. Aber hier gibt es wenigstens eine freie Presse, Skandale, Untersuchungskommissionen - und keine zwingende, aber doch eine ganz gute Chance auf Besserung. Korruptionsbekämpfung steht ganz oben auf der Agenda, wenn ein Land wie die Ukraine der EU beitreten will.
Demokratien ziehen nicht einfach so in den Krieg, es sei denn - wie im Fall der Ukraine - sie kämpfen um ihre Existenz. Dann aber wissen die Leute, wofür sie kämpfen: Ihre Freiheit nämlich, so sein zu dürfen, wie sie sind oder sein wollen: widerspenstig oder angepasst, weltläufig oder national, hetero, transgender oder schwul.
Autokraten ziehen in den Krieg, um ihr Volk hinter sich zu einen. Das mag vorübergehend funktionieren. Aber spätestens bei den ersten Misserfolgen wird die Propaganda als das entlarvt, was sie ist: ein leeres Versprechen. Viele Russen mögen Putins Scharfmachereien erst zugejubelt haben. Wer es sich aber leisten konnte, hielt sich von Anfang an vom Ukraine-Krieg fern.
Wir sollten uns nicht blenden lassen
Bis in die Art der Kriegsführung zeigt sich die Schwäche der Autokratie. Die russische Armee wird zentral geführt. Brechen die Kommandostrukturen in sich zusammen, löst sich die Armee in eine Chaostruppe auf. So autonom zu agieren, wie es die ukrainischen Bataillone und auch Kompanien tun, wäre in der russischen Armee undenkbar. Anfang September zeigte sich die militärische Überlegenheit der ukrainischen gegenüber der russischen Führungskultur, als die ukrainische Armee binnen einer Woche den Südosten des Oblasts Charkiw einfach so mal überrannte.
Putins Autokratie ist ein Scheinriese. Wir sollten aufhören, uns von ihr blenden zu lassen.
Si vis pacem para bellum !
Herrn Weitz ist voll zuzustimmen. Allerdings unterschlägt er einen wichtigen Punkt:
Ein Scheinriese verliert nur dann seinen Schrecken, wenn man ihm von Nahem zumindest auf Augenhöhe begegnen kann. Im aktuellen Fall bedeutet dies,wie für die Ukraine richtig festgestellt, daß man über ausreichende militärische Fähigkeiten verfügt.Daraus folgt,daß der obige Satz auch in unserer Zeit weiterhin Gültigkeit besitzt.
Es wäre wünschenswert, derartige Fähigkeiten auch für unser eigenes Land eindeutiger und nachdrücklicher zu befürworten, als es dies von Seiten der evangelischen Kirche bisher üblich gewesen ist.
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Kriegsvorbereitungen
"Herrn Weitz ist voll zuzustimmen." Auch ich konnte im Artikel von Herrn Weitz fast nichts finden, wo ich mir gedacht hätte, das wird Querdenkern nicht schmecken. Also sind Erwägungen zum Thema "Beifall von der falschen Seite" sachlich nicht angebracht.
"Es wäre wünschenswert, derartige Fähigkeiten auch für unser eigenes Land eindeutiger und nachdrücklicher zu befürworten, als es dies von Seiten der evangelischen Kirche bisher üblich gewesen ist." Es fehlt doch nirgendwo bei der Pflicht jeder anständigen Kirche, der Herrschaft bei Krieg und Kriegsvorbereitung treu zur Seite zu stehen. Es kämpft wie immer das Gute gegen das Böse. Gott, die Gläubigen und die Kirchen stehen selbstverständlich auf Seiten des Guten. Also unterstützen die evangelischen Kirchen der NATO-Länder den NATO-Standpunkt und die russische orthodoxe Kirche den Russland-Standpunkt.
Das läuft richtig bilderbuchmäßig. Anständige Menschen bekommen die anständigen Verhältnisse, nach denen sie sich so sehnen. Wer also den Krieg will, muss ihn auch vorbereiten. Auf lateinisch, deutsch und russisch.
Fritz Kurz
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Recht haben ist das Eine und
Recht haben ist das Eine und das Ergebnis was Anderes. Auch Großmäuler werden gehört. Und Putins 5. Kolonne ist hellhörig. Viele werden zum Opfer eines "Scheins". Danach nutzt der Irrtum nichts. Wer sich zum Werkzeug machen läßt, darf über seinen Schmied nicht klagen.
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Der Scheinriese und seine Gurkenarmee
"Dann aber wissen die Leute, wofür sie kämpfen: Ihre Freiheit nämlich". Klar doch. Wenn der Soldat vom gegnerischen Soldaten vom Leben zum Tode gebracht wurde, hat er die höchste Form der Freiheit erlangt: Er ist aller irdischen Sorgen ledig. Die männlichen Ukros im Wehralter können sogar schon eher die Früchte der Freiheit genießen, also "so sein zu dürfen, wie sie sind oder sein wollen". Wer sich nicht verheizen lassen will und an Flucht aus der Ukraine denkt, kann ganz ohne "Stacheldraht und Mauer" die eingerichteten Segnungen der Freiheit erfahren.
Die Vorstellung, die russische Armee tauge nicht viel, "...löst sich die Armee in eine Chaostruppe auf", hat schon die Fantasie anderer beflügelt. Wegen des zu erwartenden Blitzsieges im Blitzkrieg wurde schon einmal eine Armee. die gegen Russland kämpfte, weder mit Winterkleidung, noch mit wintertauglicher Kriegstechnik ins Feld geschickt. Es stellte sich tatsächlich ziemliches Chaos ein, allerdings nicht beim Iwan.
Ein Stimmungsbild dazu:
https://www.dhm.de/lemo/zeitzeugen/erich-landzettel-russland-194243
Friedrich Feger
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Bramarbasieren
Werter Herr Feger, da muß ich Ihnen voll beipflichten. Der Artikel von Herrn Weitz ist in der Sache richtig, sprachlich jedoch teilweise unangemessen. Flapsige Ausdrücke wie "Chaostruppe" und "mal eben überrannt" sind in diesem Zusammenhang unpassend, ja sogar zynisch. Ein wirklicher Meister der Sprache wie Ernst Jünger hat sich in seinem Werk, trotz aller persönlichen <<désinvolture>>, niemals gegenüber dem Gegner zu solchem Bramarbasieren hinreißen lassen.
Da nicht anzunehmen ist, daß die "Chrismon"-Redakteure in der Kaffeepause Panzerquartett spielen, wird eine derartige Wortwahl wohl lediglich auf völliger Unkenntnis militärischer Sachverhalte,vor allem aber auf Gleichgültigkeit gegenüber soldatischen Wertvorstellungen und Gefühlswelten beruhen.
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Lieber Herr Weitz,
Lieber Herr Weitz,
ich lese „chrismon plus“ regelmäßig und sehr gerne wegen seiner interessanten, ausgefallenen Themen und wegen der Tiefe, mit der die Dinge meist betrachtet werden. Daher bin ich über Ihren Kommentar doch sehr überrascht und auch etwas entsetzt über die dort publizierten Plattheiten und die Einseitigkeit Ihrer Thesen.
Mal abgesehen davon, dass ich Sie wegen der genauen Kenntnis des Psychogramms und des Denkens von Herrn Putin bewundere („Putin glaubt …“) – Achtung: Ironie! – finde ich besonders Ihre Aussage „Demokratien ziehen nicht einfach in den Krieg, es sei denn, sie kämpfen um ihre Existenz“ höchst problematisch und in der Sache falsch. Dabei möchte ich nur mal an den Irakkrieg der USA 2003 erinnern. Bei diesem Angriffskrieg sollen die USA, Großbritannien & Co. Um ihre Existenz gekämpft haben? Ihre Aussage ist in diesem Bezug doch (überspitzt gesagt) Gewalt verherrlichend oder freundlich gesagt: einfach falsch.
So einfach ist die Welt meiner Meinung nach nicht, dass Staaten, die sich intern demokratische Strukturen geben, immer friedfertig sind. Es gibt so viele Beispiele, wo demokratisch strukturierte Staaten mit brutaler Gewalt ihre ökonomischen Interessen verfolgen und andere unterdrücken. Sehen Sie das ernsthaft anders?
Auch Krieg als Mittel, das eigene Volk hinter sich zu einen, ist keine Erfindung von Autokratien. Diesen Effekt nutzen auch Präsidenten demokratischer Staaten für ihre Politik. Würden Sie dem widersprechen wollen?
Freudliche Grüße
Albert Herresthal
Aurich
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