Freut euch! Halleluja
Beim gemeinsamen Abend mit Freunden merkt Arnd Brummer, was in Gottesdiensten eigentlich wichtig ist - und oft fehlt.
Lena Uphoff
24.09.2020

Regine und Jo sind ­"alles andere als Gottesdienstfans".Eigentlich betreten sie am Sonntag ­eine Kirche nur, brummelt Jo, "wenn es unbedingt sein muss". Was bedeutet "unbedingt"? Pfarrerstochter Regine: "Weihnachten, Ostern, Hochzeiten, Trauerfeiern oder wenn in unserem Örtchen ein Jubiläumsfest mit einem Gottesdienst verbunden ist."

Lena Uphoff

Arnd Brummer

Arnd Brummer, geboren 1957, ist Journalist und Autor. Bis März 2022 war er geschäftsführender Herausgeber von chrismon. Von der ersten Ausgabe des Magazins im Oktober 2000 bis Ende 2017 wirkte er als Chefredakteur. Nach einem Tageszeitungsvolontariat beim "Schwarzwälder Boten" arbeitete er als Kultur- und Politikredakteur bei mehreren Tageszeitungen, leitete eine Radiostation und berichtete aus der damaligen Bundeshauptstadt Bonn als Korrespondent über Außen-, Verteidigungs- und Gesellschaftspolitik. Seit seinem Wechsel in die Chefredaktion des "Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatts", dem Vorgänger von chrismon im Jahr 1991, widmet er sich zudem grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis Kirche-Staat sowie Kirche-Gesellschaft. Seine besondere Aufmerksamkeit gilt kulturwissenschaftlichen und religionssoziologischen Themen. Brummer schrieb ein Buch über die Reform des Gesundheitswesens und ist Herausgeber mehrerer Bücher zur Reform von Kirche und Diakonie.

Regine fühlte sich schon in ihrer Jugend unwohl, wenn sie "aus fami­liären Gründen sonntags da rein­musste. Papa Pastor hat einen ganz ordentlichen Job gemacht. Dass aber in der gesamten Liturgie stets betont wurde, wie unvollkommen wir als Menschen sind, half mir überhaupt nicht." Dass die beiden nach wie vor Kirchensteuer zahlen, ergänzt Jo, ­liege an der Qualität der "organi­sierten Nächstenliebe, vor allem in der ­Diakonie. Wenn Sterbens­kranken, Behinderten und Ge­flüchteten ge­holfen wird, sind wir mit unseren Euros gern dabei."

Ich kann die beiden gut ver­stehen. Auch ich erlebe Gottesdienste in ­vielen Fällen nicht als Verkündigung der Frohen Botschaft. Gebete, vor allem Fürbitten, verströmen weder Glauben noch Liebe oder Hoffnung: "Herr, wir haben in dieser Woche wieder Leute mies behandelt. Wir ­waren egoistisch, neidisch, gemein. Bitte lass uns weniger sündig sein. Wir bitten dich, erhöre uns!"

Es sollte zu erkennen sein, ­warum ­Menschen im Sinne ­Jesu Christi zusammenkommen

Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn ein solcher Text im ­Gottesdienst Platz findet. Einen Platz! Drum herum sollte jedoch der Grund zu erkennen und zu spüren sein, ­warum hier ­Menschen im Sinne ­Jesu Christi zusammenkommen: Nähe und seelische Wärme. Mir fallen dazu stets die Lieder des Kantors Martin Gotthard Schneider ein. Sein bekanntester Song "Danke" schaffte es 1963 in die Charts.

Als ich den Titel dieses Liedes ­nenne, erkennen Regine und Jo, wie nah wir beieinander sind. Sie lächeln und prosten mir zu. Und dann singen wir laut und fröhlich: "Danke für ­alle guten Freunde, danke, o Herr, für jedermann. Danke, wenn auch dem größten Feinde ich verzeihen kann." Wir schauen einander in feuchte Augen. Schneiders swingende Musik untermalt seine Texte, wie man es sich besser nicht vorstellen kann. Das haben wohl auch die Punkrocker "Die Ärzte" erkannt und den Song in den 90er Jahren richtig populär gemacht.

Gottesdienste sollten den Menschen Kraft spenden

Gottesdienste sollten den Menschen Kraft und Hoffnung spenden. Lasst euch nicht unterkriegen! Bleibt fröhlich und zuversichtlich! Jo grinst. "So gesehen veranstaltet Regine zwei- bis dreimal im Monat Gottesdienste." Auf meinen fragenden Blick reagiert sie sofort. "Rede doch keinen Blödsinn, Jo! Wenn ich Leute auf unsere Terrasse zu ein paar Gläschen Wein oder Bier einlade, geschieht das ohne jedes kirchliche Gehabe!"

Ich kann Jo nur zustimmen. ­Humor, menschliche Wärme und wahre Gastfreundschaft prägen Regines Abende. Deshalb sitze ich auch heute wieder hier. Und ich bitte sie herzlich, sich mit diesem Modell auch in ihrer Kirchengemeinde zu enga­gieren. Dann könnten doch ­einige Menschen tatsächlich zu ­Gottesdienstfans werden. Halleluja!

Dieses eingebettete Video wird von YouTube bereitgestellt.

Beim Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern von YouTube hergestellt.

Dabei wird YouTube mitgeteilt, welche Seiten Sie besuchen. Wenn Sie in Ihrem YouTube-Account eingeloggt sind, kann YouTube Ihr Surfverhalten Ihnen persönlich zuordnen. Dies verhindern Sie, indem Sie sich vorher aus Ihrem YouTube-Account ausloggen.

Wird ein YouTube-Video gestartet, setzt der Anbieter Cookies ein, die Hinweise über das Nutzer:innenverhalten sammeln.

Weitere Informationen zum Datenschutz bei YouTube finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters unter: https://policies.google.com/privacy

Video abspielen

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Sehr geehrter Herr Brummer,
ich habe 22 Jahre an der Musikhochschule in Freiburg unterrichtet und kannte natürlich Martin Gotthard Schneider. Er war eine in jeder Beziehung eindrucksvolle, autoritätsgebietende Persönlichkeit. Ich hatte aber auch mit seinen Studenten zu tun, und da hat mir einer mal verraten, dass Schneider sein "Danke"- Lied im Nachhinein nur ganz schrecklich fand. Auch wenn es, gemessen an dem, was an neuen Chorälen inzwischen Einzug in die Gottesdienste gehalten hat, fast noch als musikalische Perle zu bezeichnen ist!
Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Christa Siebert-Freund

Permalink

Sehr geehrter Herr Arnd Brummer - Ihr Text hat mir sehr gefallen. Vor allem: "Gottesdienste sollten den Menschen Kraft und Hoffnung spenden. " Trotzdem ließen Sie nach meinen bescheidenen Auffassungsfähigkeiten die wichtigste Frage offen: Weshalb heißt diese Zussammenkunft in oft aufwendiegn, wenn nicht gar pompösen (zB katholischer Barock) Gebäuden, die zu 98% der Zeit sonst leer stehen - GOTTESDIENST? Braucht der allmächtige Gott (das ist Er doch, oder?) von uns Dienste? Anbetungs-, Lob- und Verherrlichungsleistungen - besonder abstoßend: Opfer - wie ein orientalischer Despot zur Zeit der Entstehung der Bibel?
Sie wissen es - auch Atheisten haben solche Veranstaltungen, die natürlich aber nicht DIENSTE heißen, sondern Sunday Assembly. Die sind - sehen Sie sich doch mal ein Video davon zB auf Youtube an - ganz lebendig. Und nicht so dröge und altbacken (mit Zuschütt-Orgel - äh) mit Priester*innen in Depri-Schwarz (evangelisch) oder Männer in Frauenkleidern (katholisch).
Walter Ludin machte die treffende Aussage dazu: "Der Kirchenferne der Menschen entspricht die Menschenferne der Kirche."
Sollten wir als Kirche(n) eine Zukunft haben wollen, sollten wir mal nicht über Liturgie nachdenken, sondern über eine Sonntagsversammlung.
Ich bin absolut fest davon überzeugt: Gott braucht keine Dienste.
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Aloha Stephan Levko