Die erste Kirche, die ein Bett über Airbnb vermietet: In der Michaeliskirche in Neustadt am Rennsteig kann man für 15 Euro übernachten, frische Bettwäsche inklusive. Die Gemeinde verdient nicht daran. Warum macht sie´s trotzdem?
chrismon: Ein Doppelbett in der Kirche – das hat Ihre Gemeinde mitgemacht?
Horst Brettel: Nicht sofort. Das Bett stand erst mitten im Kirchenschiff, dafür waren Kirchenbänke abmontiert worden. Manche Gottesdienstbesucher störte das, vor allem bei Trauerfeiern. Deshalb zog es um in eine hintere Nische, die man mit einem Vorhang zuziehen kann. Damit können jetzt alle leben.
Horst Brettel
Hanna Lucassen
Kommen denn überhaupt Gäste?
Der erste Versuch im Sommer 2017 schlug sofort ein. Und für 2019 hatte ich im März schon 40 Anmeldungen. Ganz unterschiedliche Leute: Gläubige, Neugierige, Wanderer, Menschen, die bewusst die Stille suchen. Die Kirchenglocken schalten wir in der Nacht aus.
Keine Angst, dass etwas wegkommt?
Wir haben keine Reichtümer, tagsüber sind die Türen offen. Wir vertrauen den Gästen und lernen sie ja bei der Schlüsselübergabe kennen. Manchmal sitzen wir abends draußen auf der Bank und reden über das Leben. Es ist eben keine gewöhnliche Herberge.
Warum machen Sie das überhaupt?
Es tat mir weh, dass die Kirche die meiste Zeit leer stand. Neustadt ist klein, eine zweite Kirche wurde 2016 wegen Einsturzgefahr abgerissen. Mit den Übernachtungskosten decken wir zwar nur den Aufwand, aber: Es kommt Leben in das Gebäude, in die Gemeinde, den Ort. Einmal rief mich ein Übernachtungsgast an, er hätte an einer versteckten Stelle eine Pfütze entdeckt. Das Dach war undicht – das hätte ich sonst lange nicht bemerkt. Je mehr Menschen sich mit der Kirche verbunden fühlen, desto besser. Sie nehmen sie uns ja nicht weg, im Gegenteil.
Die Initiative Her(r)bergskirchen arbeitet dafür, dass bald noch mehr Kirchen entlang des Rennsteigs ihre Türen für Übernachtungsbesucher öffnen. Infos und Buchung: herrbergskirchen.org