Ich bin endlich wieder in Nicaragua – wenn auch diesmal nur als Besucherin. Vier Jahre war ich Lehrerin an der Deutschen Schule Managua, im vergangenen Sommer verließ ich das Land, weil die politische Situation zu gefährlich wurde. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem alles eskalierte: Es war Donnerstag, der 19. April 2018. Wir hatten eine Lehrerkonferenz und wurden früher nach Hause geschickt. Einen Ausflug für den kommenden Tag sagte die Schulleitung ab. In den Medien ging die Runde: Die Menschen sind auf der Straße, sie protestieren gegen eine Steuer- und Rentenreform, es wird geschossen, es gibt Tote.
Gewalt, Schießereien, Angst
Die Lage spitzte sich von Tag zu Tag zu. Bald forderten Demonstranten den Rücktritt des Präsidenten Daniel Ortega, der versuchte, die Proteste niederzuschlagen. Die Monate danach waren geprägt von Gewalt, Einbrüchen, Überfällen, Schießereien, Angst. Die Zahl der Toten stieg. Viele Deutsche und andere Ausländer verließen das Land. In der Schule hatten wir freiwilligen oder keinen Unterricht. Eltern meldeten ihre Kinder ab, Kollegen kündigten. Auch ich gehörte zu denen, denen es zu heikel wurde. Im August verließ ich Nicaragua. Eine bewusste Entscheidung – trotzdem nahm ich schweren Herzens Abschied.
Sonja Becker
Nun bin ich in meinen Ferien hier, um einige "Nica-Freunde" wiederzusehen. Ich besuche sie in ihren kleinen
Häusern mit Wellblechdächern, manche haben nur das Nötigste zum Überleben. Wie viele andere leiden sie unter stärkerer Armut als vorher. Die vergangenen zwölf Monate haben dem Tourismus geschadet – wie überhaupt dem Arbeitsmarkt.
Die politische Situation ist nur scheinbar ruhiger geworden. Nicht, dass sich die Probleme gelöst hätten.
Aber Demonstrationen sind nun verboten. Wer es dennoch wagt, den nimmt die Polizei gewaltsam fest. Die Regierung spricht nach einem Jahr von knapp 200 Toten, die Opposition von mehr als 550 Opfern. Ich werde mit gemischten Gefühlen zurück nach Deutschland fahren.