Kostenlose Schulspeisung für Kinder, Ergänzungsnahrung für Schwangere, subventioniertes Saatgut für Bauern mit wenig eigenem Land – das gibt es in Indien seit 2001. Da nämlich war der Menschenrechtsanwalt Colin Gon salves vor den Obersten Gerichtshof gezogen und hatte im Namen der Armen ein "Recht auf Nahrung" erklagt. Möglich war das, weil das indische Recht eine derartige "Klage im Namen der Allgemeinheit" (Public Interest Litigation) grundsätzlich erlaubt. Trotz neuer Gesetze und guter Wirtschaftslage wird es aber wohl noch viele Jahre dauern, bis in Indien niemand mehr hungern muss.
Westliche Länder müssen sich ein Beispiel nehmen
In Deutschland oder anderen westlichen Industrieländern sind Klagen im Namen der Allgemeinheit nicht vorgesehen. Deren geltende Rechtsauffassungen stellten immer das Individuum und nicht die Masse der Bevölkerung ins Zentrum, kritisieren Gonsalves und seine Kollegen und finden, dass sich die westlichen Länder ein Beispiel nehmen müssten. Gezielt würden nämlich arme und weniger gebildete Menschen aus den Gerichten herausgehalten: "Wenn ein Anwalt wie ich in den USA das Recht für Obdachlose auf ein Dach über dem Kopf erstreiten würde", sagt Gonsalves, "müsste das Land seine Gesetze ändern und das Sozialbudget erhöhen." Dazu wolle ja niemand gesetzlich verpflichtet werden.
Aber auch mit anderen juristischen Mitteln, sagt der Berliner Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, komme man voran. Kaleck, Gründer des "European Center for Constitutional and Human Rights", setzt mit internationalen Kollegen auf die sogenannte strategische Prozessführung. "Wir nutzen beispielhafte Einzelfälle, um politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen anzustoßen und das Recht fortzubilden", sagt er.
Dorothea Heintze
So haben drei Angehörige von Kriegsopfern aus dem Jemen vor dem Oberverwaltungsgericht Münster gegen die Bundesregierung geklagt und zum Teil recht bekommen: Deutschland muss darauf hinwirken, dass die USA bei der Nutzung ihrer Militärbasis Ramstein das Völkerrecht einhalten. Und: Erste kleine Erfolge gibt es auch im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken Bangladeschs oder Pakistans.