In diesem Frühjahr war Irland wochenlang mit Plakaten behängt. Auf den einen prangte ein Yes, auf den anderen ein No. Dazu markige Sprüche und ergreifende Ultraschallbilder. Es ging um das für Ende Mai geplante Referendum zur Abtreibungsfrage: Soll der achte Verfassungszusatz, der die Abtreibung in Irland rigoros verbietet, gestrichen werden? Ja oder nein? Die Befürworter verwiesen auf die traurigen Schicksale junger Frauen, die heimlich zur Abtreibung ins Ausland fahren. Die Gegner führten an, dass ungeborenes Leben unbedingt zu schützen sei. Überall wurde demonstriert und leidenschaftlich diskutiert, Iren sind kommunikationsfreudig. Die katholische Kirche schwieg öffentlich dazu. Dann votierten am 25. Mai 66,4 Prozent für Ja. Bei der Bekanntgabe tanzten die Menschen auf der Straße.
Stephan Arras
Und heute, nur ein paar Monate danach, redet niemand mehr darüber. Dabei steht jetzt die eigentliche Frage an: Die Abgeordneten sollen bis Ende des Jahres ein Abtreibungsgesetz verabschieden – wie kann dieses aussehen? Ich frage mich: Was würde Jesus wohl sagen? Er hat Schuld vergeben, geheilt, ermutigt und getröstet. Er hat durchaus Gesetze geachtet. Aber sein Hauptaugenmerk galt immer dem Menschen, der gerade vor ihm stand. In der Abtreibungsdebatte scheint mir ein absolutes Ja genauso falsch wie ein absolutes Nein. Die Wahrheit liegt im Blick auf den einzelnen Menschen. Vielleicht findet Irland einen Weg zu einem liberalen System mit einer Pflichtberatung für Frauen und Paare. Das würde manches ungeborene Leben retten, ließe betroffene Frauen nicht allein und bewahrte sie vor der Illegalität. Ein Gesetz, das dies schafft, wäre christlich.