"Heute Abend essen wir lecker – ohne Geschrei!"
Kinderverbot im Restaurant, ist das okay? Ein Pro und Contra
Tim Wegner
Tim Wegner
03.09.2018

Pro: Kinder sind Teil der Gesellschaft – also sollten wir sie behandeln wie alle anderen

Als unsere Söhne noch klein waren, haben uns die Hausmeister eine Sandkiste in dem riesigen, ungenutzten Hinterhofgarten verweigert. Es gebe so viele Senioren im Haus, die würden sich gestört fühlen. Hab ich mich aufgeregt: spielende Kinder im Garten! Wenn ich einmal alt bin, möchte ich im Rollstuhl von oben auf spielende Kinder gucken.

Das vorweg, damit man nicht denkt, ich sei eine verbitterte Kinderhasserin, wenn ich der Meinung bin: Der Restaurantbesitzer auf Rügen, der jüngst erklärt hatte, Kinder unter 14 Jahren seien ab 17 Uhr bei ihm unerwünscht, hat recht.

Tim Wegner

Dorothea Heintze

Dorothea Heintze, Jahrgang 1960, findet es super, wenn ihre Freunde die kleinen Kinder mitbringen. Dann kann sie endlich mal wieder so richtig Quatsch machen. Aber irgendwann ist dann auch Zeit fürs Bett und Gespräche unter Erwachsenen. Klappt meist ganz gut.
Die Begründung des Restaurantbesitzers lautet: "Vor allem die Eltern sind mit der Zeit immer ignoranter geworden. Manche geben ihre Verantwortung an unserer Tür ab." Kinder hätten Tischdecken heruntergezogen, und zwar nicht die ihrer Eltern – Rotwein inklusive.

Mal abgesehen davon, dass es ein Hausrecht gibt, finde ich es völlig in Ordnung, wenn es in diesem Land Orte gibt, an denen Kinder NICHT erwünscht sind. Warum? Weil das auch für andere Teilgruppen der Gesellschaft gilt. Es gibt Frauen-Saunatage (keine Männer!) bei mir im Schwimmbad. In die Disco durfte ich erst mit 18 und einmal wurde ich auch vor einem Schwulenclub abgewiesen. Finde ich alles o. k.

Früher hatte man Kinder und zog die groß. Das war was Normales. In einer alternden Gesellschaft jedoch sind Kinder ein kostbares Gut, Helikoptereltern und so. Neulich waren wir bei einem Geburtstag eingeladen. Super Gelegenheit, mal wieder mit dem Gatten abzutanzen. Am Ende standen wir bis kurz vor Mitternacht im Kreis um einen hip-hoppenden Zwölfjährigen herum. Die Eltern klatschten beseelt und keiner wagte zu sagen: "Hallo Paul, es ist genug. Jetzt wollen wir mal tanzen."

Kinder stehen permanent im Mittelpunkt und für die Eltern gilt: Sie sind Helden, allein schon deshalb, weil sie überhaupt Kinder haben. Diese "Weg-da-ich-hab-ein-Kind"-Attitüde geht mir auf die Nerven. Ob vor dem Fahrstuhl (Eltern mit Kinderwagen haben immer Vorfahrt – wieso eigentlich?) oder eben auch im Restaurant, wenn die Eltern nicht verbieten, dass der Nachwuchs die Stofftischdecke bemalt: "Also, zu Hause haben wir immer Tischdecken aus Papier. Wie sollen wir unserem Sohn das jetzt hier erklären?"

Man kann Kinder daran gewöhnen, dass sie sich in fremden Häusern anders benehmen als zu Hause. Natürlich funktioniert das nicht immer. Ich erinnere mich an Situationen, da waren wir als Eltern überfordert und fühlten uns hilflos. Das Letzte, was uns dann eingefallen wäre, war, unsere Verantwortung als Eltern abzugeben, so wie es der Restaurantbesitzer auf Rügen geschildert hat.

Mein Fazit: Kinder sind das Schönste der Welt. Aber auch das Natürlichste der Welt. Wenn wir mit dieser Tatsache alle etwas Normaler mit umgehen würden, dann käme es gar nicht zu solchen Situationen wie in Rügen. 

 

Contra: Kinderfreie Räume sind asozial

Ja, Kinder können nerven. Ich habe drei Kinder, acht, fünf und zwei Jahre alt. Und die sind auch anstrengend, manchmal jedenfalls.
 
Juristisch passt das bestimmt auch alles mit dem Rausschmiss der Kinder aus dem Restaurant: Hausrecht und so, und dieses Land hat derzeit beileibe wichtigere Probleme, über die zu echauffieren sich lohnt. Und trotzdem packt mich als Vater die Wut, wenn ich solche Meldungen lese.

Tim Wegner

Nils Husmann

Nils Husmann, Jahrgang 1976, geht gern mit seiner Familie in ein Restaurant, das einen putzigen Namen hat: "Zum Kuhstall". Denn früher war es mal ein Bauernhof. Heute bekommen Kinder dort zum Abschied eine Kuh aus Fruchtgummi.
Tagein, tagaus habe ich Interessenvertreter in den Ohren, die den Fachkräftemangel beschwören. Nichts liegt mir ferner, als Kinder zu volkswirtschaftlichen Größen zu verzwecken – meine eigenen schon gleich gar nicht –, aber wenn Ihr in Zukunft einen Mangel an Expertinnen und Experten befürchtet, dann geht vielleicht einfach auch mal besser mit Familien um. Und was der Restaurantbetreiber da tut, ist das Gegenteil davon.

Die Elterngeneration, zu der ich gehöre, ist nämlich eine Ansammlung von Versuchskaninchen: In der Regel arbeiten beide Elternteile, das hat es so noch nie gegeben. Und das ist ein Glück, Stichwort: Gleichberechtigung von Mann und Frau, die eben nicht als Hausfrau am Herd stehen, sondern auch Karriere machen will. Und es ist ein wirtschaftlicher Sachzwang, Stichwort: Immobilienpreise und Mieten, gegen die man erst mal anverdienen muss. Einer allein schafft das nicht.

Im Ergebnis sind wir Eltern dauergestresst, gefordert von Erwerbs- und Familienarbeit und – das wird in unserer mobilen Gesellschaft gern unterschätzt – oft fernab der eigenen Eltern lebend, die mal als Hilfe einspringen könnten, wenn wir selbst mal ausgehen wollen. Und, hey, was möchte man, wenn man müde ist? Genau, man möchte, dass die Küche einfach mal kalt bleibt, damit man mal ein wenig Ruhe hat – im Urlaub allemal.

Und dann will ein Restaurantbesitzer uns Familien aussperren? Seit ich Kinder habe, war ich mit denen ab und an in einer Gastwirtschaft. Werden sie zu laut, was nun mal vorkommt (oder saßen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, früher immer still?), weise ich sie zurecht. Das tun auch alle anderen Eltern, die ich kenne, und das sind mittlerweile ziemlich viele. Und noch nie traf ich auf Eltern, die seelenruhig zusahen, wie ihr Kind eine Tischdecke herunterriss. Welch ein Zerrbild, das da über Eltern kursiert!

Ich finde, kinderfreie Räume sind im schlimmsten Wortsinne asozial. Denn Kinder gehören zu uns, sie sind unsere Zukunft. Sie raushalten zu wollen, ist ein Signal der Egozentrik in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Kinder sind feinfühlig. Die merken, wenn jemand was gegen sie hat. Und die Rechnung zeigen sie uns später, wenn sie groß sind. Ob sie dann so tolle Eltern werden?

Den Gästen in besagtem Restaurant auf Rügen wünsche ich einen guten Appetit – und einen langweiligen Abend! Denn auch das haben wir schon in Restaurants erlebt: Menschen, oft waren sie schon älter, freuten sich, wenn unsere Kinder laut lachten. Richtig gute Gastwirte erkennen wir übrigens daran, dass sie Malblöcke bereithalten. Die Kinder lieben das, und sie malen dann auch nicht auf Tischdecken.

Und, keine Sorge, im Zweifel haben wir selbst auch Stifte und Papier dabei.

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Zur Erweiterung der Information sei noch gesagt, dass sich das Restaurant "Omas Küche" nennt. Quasi eine Einladung an Familien. Und das ist auch gut so! Der Restaurantbesitzer könnte ja, Vorschlag zur Güte, mal über eine Namensänderung nachdenken statt 17:00 Uhr (eigentlich eine super Zeit, um mit Kindern essen zu gehen, hörte ich) als Eintrittsschluss für Kids festzusetzen. Bestimmt gibt es sie - da stelle ich mich Herrn Husmanns Ansicht entgegen -, die Eltern, die dem Bewegungs- und Äußerungsdrang ihrer Kinder im Falle des Falles, ob immer, steht mir nicht zu ins Blaue hinein zu behaupten, nicht ausreichend begegnen (wer legt hier fest, was ausreichend ist?) oder begegnen können. Und es gibt Situationen, da bin ich einfach nur genert von allem und jedem. Übrigens können neben einem unzufriedenen oder aufgedrehten Kind auch Menschen mit lauten Handy-Telefonaten der Ausläuser dafür sein. Dennoch halte ich es für eine Notwendigkeit, ja, vielleicht auch eine Art gesellschaftlicher Pflicht (auch wenn das jetzt hochtrabend klingt), dass sich andere Gäste oder auch das Personal dann entsprechend äußern oder reagiern. Nicht nur den Kindern gegenüber, auch den Eltern. Ja, ich weiß, das ist schwierig und sicherlich nicht das, was mensch sich, egal ob er kinderlos oder nicht, unbedingt unter einem guten, ruhigen, entspannten Restaurantabend vorstellt. Aber ich finde: Es ist immer einen freundlichen Versuch wert. Und schöne Überraschungen nicht ausgeschlossen.

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Vielen Dank, Herr Husmann! Sie sprechen mir aus der Seele!
Was ich schon alles, als zweifache Mutter erlebt habe, hätte ich vor einigen Jahren nicht träumen lassen. Ja, man ist ein Exot, wenn man Kinder hat und sie nicht Zuhause versteckt.
Von allen Seiten wird man kritisiert. Ist man zu streng oder zu lasch? Zu Helicopter oder zu antiautoritär?
Jeder bildet sich ein sich in meine Familienangelenheiten einmischen zu dürfen.
Da kriegt man auf dem Familien-Hafen-Festival von der Sitznachbarin aufs Brot geschmiert, dass Kinder sich heutzutage nicht mehr benehmen würden und lästert über ihre eigene Tochter und die Enkelkinder in einer Tour ab, immer mit einem Auge auf meine Kinder gerichtet.
Eine ältere Dame hat im Schuhladen "Du blöde!" zu meiner 2,5-jährgien Tochter gesagt, da diese (leider enorm übermüdet; einen Tag, bzw. einige Stunden vor Abflug in den Urlaub; bestellten Schuhe kamen nicht an; wir brauchten dringend saisongerechtes Last-Minute-Schuhwerk) geheult hatte.
Bildet sich jeder ein sich so gegenüber anderen verhalten zu dürfen?
Wenn Erwachsene mal schlechte Laune haben, sich in der Stadt anrempeln und anpöbeln, wird das so hingenommen. Jeder darf ja mal schlechte Laune haben. Nur Kinder nicht. Sie sollen gehorsam sein, sie sollen funktionieren, sich anpassen, ihre Emotionen Zuhause lassen.

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Ich bin mit Begeisterung Lehrerin an einer Grundschule und glückliche Mutter von drei wundervollen Kindern unter sechs. Meine Kinder können sich in einem Restaurant durchaus benehmen. Und trotzdem finde ich, dass es völlig in Ordnung ist, mal einen Abend keine Lust auf Kinder zu haben.
Als mein Mann und ich im Frühjahr die Lütten für ein paar Tage bei den Großeltern gelassen haben und zusammen weggefahren sind, haben wir ein kinderfreies Hotel gewählt. Denn so wunderbar Kinder sind- sie sind keine kleinen Erwachsenen und sollen das auch gar nicht sein! Und gerade deshalb weil wir -zum Glück - heute Kinder nicht mehr zwingen, schweigend am Tisch zu sitzen und das Essen schon mit vier fehlerfrei mit Messer und Gabel zu essen, sind sie eben auch manchmal anstrengend, wenn man gerade mal das Bedürfnis nach Ruhe, Frieden und sauberen Tischdecken hat. Dass einige wenige Eltern aus Überzeugung oder Faulheit darauf verzichten, ihre Kinder überhaupt zu erziehen, kommt noch dazu.
Wer Kinder dabei hat, oder sich an diesem Abend über Kinderlachen und Tomatenhände freut, der findet auf Rügen und auch sonst überall genügend kinderfreundliche Restaurants. Wer lieber unter Erwachsenen speisen will, geht nach 17 Uhr in dieses. Wo ist das Problem?

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haben eine schlechte Perspektive. Was unsere Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten auf ihre Kinder und Jugend losgelassen hat war grob fahrlässig. Ich glaube nicht, dass unser Nachwuchs international wird mithalten können. Gerade jetzt, in Zeiten der Globalisierung, bringen unsere Schüler bei Leistungsvergleichen nur Mittelmaß zustande. Aus mittelmäßigen Schülern werden mittelmäßige Erwachsene werden, die von anderen Kulturen beherrscht werden. Wenn beispielsweise die Deutsche Bank unter einer dauerhaften Krise leidet, liegt das-meiner Meinung nach- daran, dass man geistig nicht mehr mithalten kann.

Wir sollten schon an die Generation denken, die noch nicht geboren ist. Der entscheidenste Faktor für die geistige Leistungsfähigkeit eines Kindes ist- nach meiner Erziehungserfahrung- die Einstellung der Mutter. Wir werden von den Frauen, neben dem Fördern, auch mal wieder fordern müssen. Wir sollten kinderlose Frauen aus gesellschaftlichen Spitzenpositionen fernhalten. Beispielsweise halte ich eine Diskussion bezüglich der Kinderlosigkeit von Angela Merkel für überfällig. Der Mensch nimmt die Farben seiner Umgebung an. Wenn wir in der politischen Führung nur noch beziehungsgestörtes oder liebesunfähiges Personal haben, wir das auf die Gesellschaft abfärben.

Die angebliche "Aufarbeitung" der braunen Zeit hat uns eine Nett-Neurose beschert. Unsere jungen Leute sind alle so nett und meinen anscheinend die ganze Welt würde nur noch aus netten Menschen bestehen. Unbemerkt wird aber alles ausverkauft und sie werden in der Knechtschaft landen.

Zurück zur Natur, aber nicht auf dem Weg der Grünen.