chrismon: Waren Bürgen wie Gerhard Trabert naiv?
Heinz-Dieter Schütze: Nein. Die Verwaltungsgerichte haben bislang unterschiedlich geurteilt. Und es gab Erlasse in Bundesländern, die bürgenfreundlich waren. Ein Bundesverwaltungsgerichtsurteil von 2014 legte nahe, dass Bürgen nicht weiter für ihre Flüchtlinge haften müssen, wenn diese eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten. Erst später ist das Gericht umgeschwenkt zulasten von Bürgen.
Heinz-Dieter Schütze
Gerhard Trabert sagt, das Jobcenter hätte ihm Bescheid geben müssen, dass seine Flüchtlinge Sozialleistungen beantragt haben.
Wenn Flüchtlinge Sozialleistungen beantragen, müssen die Jobcenter Bürgen nicht informieren. Meist wissen sie auch gar nicht, dass es einen Bürgen gibt. Beides wissen aber die Ausländerbehörden.
Worauf sollten Bürgen jetzt achten, wenn ein Jobcenter Geld fordert?
Wer seine Bürgschaftserklärung in Form des bundeseinheitlichen Formulars ohne Zusätze abgegeben hat, muss darauf hoffen, dass es einen bürgenfreundlichen Landeserlass gibt oder dass die Ausländerbehörde Absprachen zugunsten des Bürgen getroffen hat, die dieser belegen kann. In der Regel ist die Beweislage bei Absprachen aber schlecht. Hat die Ausländerbehörde schriftliche Zusicherungen zugunsten des Bürgen abgegeben, etwa dass die Bürgschaft für einen Aufenthalt nach dem Aufenthaltsgesetz gilt, ist das günstig für Bürgen.
Unterschiedliche Bürgschaftserklärungen, unterschiedliche Gerichtsurteile selbst in vergleichbaren Fällen: Wie bewerten Sie als Jurist diese Unberechenbarkeit?
Dass Gerichte in vergleichbaren Fällen mal für, mal gegen Bürgen urteilen, ist unerträglich. Es müsste eine einheitliche Rechtsauffassung geben. Diese entsteht derzeit, aber leider zuungunsten von Bürgen und zugunsten von Verwaltungen. Das liegt daran, dass die höchsten Gerichte wie das Bundesverwaltungsgericht meist verwaltungsfreundlich und staatstragend urteilen.
Was haben Sie für die Flüchtlingsbürgen unter Ihren Klienten bislang erreicht?
Zu den 40 Fällen gibt es erst drei Urteile, zwei ergingen zugunsten der Bürgen. Allerdings hat das Jobcenter dagegen Berufung eingelegt. Ein Urteil erging zulasten eines Bürgen. Er muss zwar keine Krankenkassenbeiträge erstatten, aber Hartz-IV-Beiträge. Gegen dieses Urteil habe ich Berufung eingelegt. Mit dem Jobcenter in Wetzlar habe ich vereinbart, dass die übrigen Fälle ruhen sollen, solange die Forderungen nicht verjähren.