Lernen von der Diakonie - Besuch bei alten Verwandten
Lernen von der Diakonie - Besuch bei alten Verwandten
Keith Brofsky/Getty Images
"Aber seine Gefühle werden nicht dement"
Menschen aus der Diakonie helfen weiter. Diesmal: Ein Besuch bei alten Verwandten ist mal wieder dran...
Tim Wegner
27.06.2018

Wenn ich meinen Onkel im Pflegeheim besuche, fragt er jedes Mal nach meiner Mutter. Es ist schrecklich für uns beide, wenn ich dann sage: "Aber Onkel ­Peter, die ist doch vor vier ­Monaten gestorben."

Gabriele Schröder: Müssen Sie das wirklich so direkt sagen? Sie könnten aufnehmen, was er mitteilen will: Wie schön, dass wir beide so viel an sie denken.

Die Gespräche sind so anstrengend: Er fragt und vergisst ­meine Antworten gleich wieder.

Valeska Achenbach

Gabriele Schröder

Gabriele Schröder leitet die Hamburger Angehörigenschule. Hier finden Angehörige Hilfe, die ihre pflegebedürftigen Angehörigen zu Hause versorgen. Pro Jahr berät Gabriele Schröder mit ihrem Team mehrere Tausend Menschen. Die Angehörigenschule ist eine Einrichtung der Diakonie Hamburg und bietet in ganz Hamburg ein großes und vielfältiges Kursangebot. Die Teilnahme ist kostenfrei.

Es gibt kein Patentrezept. Ver­suchen Sie, ihn ins Erzählen zu bringen. Wo hat er Ihre Mutter kennengelernt? Gut ist auch, wenn Sie mit ihm in Bewegung kommen. Spazieren gehen zum Beispiel.

Neulich hat er die ganze Zeit ­geschimpft, dass ihn niemand besucht – obwohl wirklich täglich jemand bei ihm ist. Da bin ich  echt sauer geworden. 

Natürlich sind Sie das, aber muss er das mitbekommen?  Sie sind ja auch traurig darüber, dass sich Ihr Onkel verändert hat. Und wenn Sie doch mal vor ihm schimpfen: Seine Gefühle werden nicht dement. Sie können sich bei ihm entschuldigen, selbst wenn er auch das gleich vergisst.

Einmal habe ich ihm ein Foto von seiner Frau und mir gezeigt. Er hat sie nicht erkannt. Das war ein Schock!

Es ist wichtig, dass Sie ihm keine Quizfragen stellen: Erkennst du die Frau auf dem Foto? Er will sich ja keine Blöße geben. Also muss er sich schlaue Strategien ausdenken, weil er die Fassade wahren  will. Demenz ist sehr anstrengend. Für Sie, aber auch für Ihren Onkel.  

Als ich ihm einen Rosenstrauß mitgebracht habe, hat er die Köpfe abgerupft und den Rest umgekehrt in die Vase gestopft. 

Versuchen Sie, den kleinen Moment der Freude bei ihm zu er­kennen. Auch hier könnten Sie das Thema aufnehmen: "Du hast doch Blumen immer geliebt." Und schon sind Sie weg von dem Strauß und Ihren verletzten Gefühlen.

Manchmal kann ich nicht kommen, dann rufe ich ihn an – aber das geht fast gar nicht mehr.

Telefonieren ist schwierig, Menschen mit Demenz brauchen eine Eins-zu-eins-Zuwendung. Geschirr abwaschen oder auf dem Handy rumklicken und sich dabei mit dem Onkel unterhalten – da kann er nicht mehr folgen. Kommen Sie lieber seltener, aber dann wirklich konzentriert auf ihn.

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