chrismon: Welche Rolle spielte die Religion im Dialog der jüdischen, christlichen und muslimischen Wissenschaftler damals?
Andreas Fingernagel: Die Religion durchdrang alle Lebensbereiche, im Judentum, Christentum und Islam. Daher das gemeinsame Interesse an der Astronomie: Diese klärte, wann Pessach, Ostern und Ramadan zu feiern sind. Das waren wichtige Fragen: Für die Christen, um die beweglichen Festtage, insbesondere das Osterfest, festzulegen. Den Muslimen halfen die Astronomen, die Gebetsrichtung und die Ausrichtung der Gräber nach Mekka zu ermitteln.
Andreas Fingernagel
Begegneten Religionsvertreter den Wissenschaften auch mit Skepsis?
Ja, der Anatomie. Das Sezieren von Leichen war in keiner der Religionen wirklich akzeptiert. Es gab einen Grundkonsens, dass der menschliche Körper unversehrt bleiben müsse. In Padua wurde Studenten das Sezieren erst im 15. Jahrhundert ausdrücklich erlaubt.
Trafen sich Wissenschaftler unterschiedlicher Religionen zu Debatten?
Ja, vor allem im siebten und achten Jahrhundert in Bagdad. Da wurde in akademieähnlichen Vereinigungen auch über die Religionen gesprochen. Leider ist von solchen Diskussionen wenig überliefert.
Soll Ihre Ausstellung zeigen: So einen Dialog der Religionen bräuchten wir heute?
Wir stellen Handschriften und ihre Übersetzungen aus. Diese machen aber deutlich, dass ein Austausch über alle Grenzen hinweg möglich ist, wenn Leute eine gemeinsame Idee haben, tolerant sind und die Leistung anderer anerkennen. Das gilt natürlich auch heute.
Mehr zur Ausstellung Juden, Christen und Muslime auf der Seite vom Martin-Gropius-Bau.