Die nüchterne Leuchtschrift lockte mich neulich wieder einmal ins „Fair Deal“. Das einfache, typisch amerikanische Speiselokal in einem Vorort von New York City macht seinem Namen alle Ehre. Kein Glamour, keine kulinarischen Höhenflüge. Aber das Essen ist gut und so günstig, dass Menschen aller Schichten herkommen. Auch die Reichen essen hier ihr Sandwich mit Pastrami – aufwendig zubereitetes Rindfleisch, eine New Yorker Spezialität – und trinken den Ein-Dollar-Kaffee, der woanders das Dreifache kostet. Da ist man doch mehr preis- als klassenbewusst.
Miriam Groß
Nirgendwo sonst habe ich Menschen so schnell und ungebremst durchs soziale Netz fallen sehen
Es gibt in New York einige, vor allem kirchliche Anlaufstellen für Bedürftige und Wohnungslose. Die wenigsten Kirchengemeinden aber können so etwas einrichten. Sie müssen sich selbst finanzieren, was schwer genug ist. Der Schatzmeister unserer Gemeinde sagte einmal: „Wir sind ein Vermietungsbetrieb plus Gottesdienstangebot. Bei einer lukrativen Mietanfrage muss eine Gemeindeveranstaltung weichen.“ Die lutherische, durch Spenden finanzierte Wohlfahrtsorganisation „Lutheran Social Service“ betreibt Mittagstische und Tagesstätten. Das aber reicht alles nicht.
Und deshalb sind Läden wie das „Fair Deal“ Gold wert. Eine indische Migrantenfamilie führt das Lokal als ganz normalen Betrieb, der sich natürlich auch rechnen muss. Ihre Mitarbeiter behandeln nicht nur alle Gäste mit Respekt. Sie arbeiten auch oft mehr, als sie müssten. Auch in dem Bewusstsein: Eine gering bezahlte Arbeit ist besser als gar keine.
New York ist ein hartes Pflaster. Nirgendwo sonst habe ich Menschen so schnell und ungebremst durchs soziale Netz fallen sehen. Das mir aus Deutschland vertraute Solidarprinzip fehlt an vielen Stellen. „Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott“ – dieser Gedanke ist hier wirklich tief verwurzelt.