Auf der Website sind es 1300 Gesichter, auf Facebook über 2300: Sie alle unterstützen die Initiative „Offene Gesellschaft“. Und draußen gibt noch viele mehr, die so denken. Vier Fünftel aller Wähler in Deutschland seien mit dem Grundgesetz einverstanden und für ein geistig offenes, demokratisches Land und ein Zusammenleben, das tolerant und von dem Willen zum Dialog geprägt sei, schätzt die Initiative.
Nur im alltäglichen Gespräch kommt das nicht so recht rüber. Da geht es ständig um die Sorgen, Ängste und den Hass einer polemisierenden Minderheit, haben die Begründer der Initiative festgestellt. Im Herbst 2015 war das, als das kleine Sommermärchen in Deutschland, die Willkommenskultur, auch schon wieder ein Ende fand. Die Diskussionen, die folgten, waren beklemmend. Da saßen Alexander Carius, Politikwissenschaftler, und Harald Welzer, Sozialpsychologe, in einer Kneipe zusammen und besprachen die politische Lage. Beide beschäftigen sich ohnehin bereits mit der Zukunft der Gesellschaft. Carius ist Leiter einer Denkfabrik, die sich mit nachhaltiger Entwicklung beschäftigt, und Welzer leitet eine Stiftung, die sich im Bereich der Wirtschaft ähnlichen Fragen stellt. Gemeinsam beschlossen sie an jenem Abend in der Kneipe, dass die Mehrheit dringend ein Gesicht brauche, eine Plattform, dass es Gründe geben muss, über sie zu berichten und darüber, wie man konstruktiv die Gesellschaft in die Zukunft führen kann.
Viele Kirchenvertreter unter den Unterstützern
Das Konzept ist simpel: Menschen diskutieren miteinander, wie sich eine offene Gesellschaft gestalten und voranbringen lässt, wie sich Probleme lösen lassen, ohne diese Grundüberzeugungen zu verletzen. Sie tauschen sich aus, sie begegnen sich.
Carius und Welzer stellten ein Team zusammen und suchten Partner, die solche Diskussionsveranstaltungen organisieren wollten. Runden, in denen alle Besucher auf Augenhöhe sind. Das Team „Offene Gesellschaft“ hilft ihnen bei der Kommunikation, der Vernetzung und dabei, weitere Partner zu finden.
###mehr-extern###Es scheint, als haben viele auf so einen Vorstoß gewartet. Im ersten Jahr haben in ganz Deutschland 50 Diskussionsrunden stattgefunden, in Theatern, Schulen, Kirchen. Bürgermeister haben geladen, Stiftungen, Kulturschaffende. Etwa 8000 Teilnehmer haben bisher mitdiskutiert. Die Leitfragen: Welches Land wollen wir sein? Was sind wir bereit, für eine offene Gesellschaft zu tun? Und auf der Website kann, wer will, sein Statement veröffentlichen, sein Foto. Auch die – optische – Masse macht’s.
Unter anderen ist die Robert-Bosch-Stiftung dabei, die Konrad-Adenauer-Stiftung, auch die Diakonie Deutschland. Angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen, sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Diakonie in der Debatte über die gesellschaftliche Zukunft nicht abseits stehen kann, sagt man dort. Für diese Ziele brauche es neue Partner. Unter den zahlreichen Gesichtern der Initiative finden sich viele Kirchenvertreter wie die Bischöfin der evangelischen Nordkirche, Kirsten Fehrs.
Es geht also weiter. Das Team hat noch viele Ideen, die Organisatoren genauso. Künftig werden sämtliche Projekte unterstützt, die Toleranz und Dialog befördern: Neben Diskussionsformaten auch Bildungsprojekte, Theater, Kunst, Sport. Und: Jeder kann mitmachen. Als Organisator, als Sponsor, als Teilnehmer einer Diskussionsrunde oder einfach mit seinem Gesicht auf der Website, damit die so lange so still gebliebene Mehrheit an Eindrücklichkeit gewinnt. Einer der Sätze, die sich das Team der Initiative zu Herzen genommen hat, stammt von dem Philosophen Karl Popper und besagt sinngemäß, dass die offene Gesellschaft immer daran gescheitert ist, dass ihre Freunde nicht für sie eingetreten sind. Zeit wird’s. Denn das soll nicht noch einmal passieren.