Gundula Gause gehört seit Jahren zum Repertoire der öffentlich-rechtlichen Nachrichtensprecherinnen, im besten Sinne. Gab es jemals eine andere Frau an der Seite von Claus Kleber? Scheinbar jeden Abend verliest sie im heute-journal die Nachrichten. Verlässlich, authentisch, unaufgeregt. Sie scheint immer da zu sein, wie das Vaterunser. "Im Vaterunser steckt so viel drin! Man kann sich auch nur mal eine bestimmte Zeile rausziehen für eine bestimmte Lebenslage." Wenn Gause so über das Gebet spricht, mischt sich ein schwärmerischer Ton in ihr angenehmes Timbre. "Das Vaterunser gibt uns allen einen Grund, auf dem wir stehen", sagte die ZDF-Moderatorin auf der Frankfurter Buchmesse im Gespräch mit Jörg Bollmann, dem Direktor des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP).
Denkt Gause an das Vaterunser, ist sie in Gedanken auch wieder in einem Slum Nairobis. Dort war sie zu Besuch bei einer Familie, die bestand aus zehn Kindern und einer AIDS-kranken Tante. Die Mutter war gestorben, der Vater wo auch immer. Unvermittelt hätten die Kinder angefangen, das Vaterunser zu beten - auf Kiswahili: "Auch wenn man nichts versteht oder nur ein paar Silben, man weiß: Das ist das Vaterunser."
Gundula Gause: "Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Religion zu leben"
Diese universelle Kraft soll die Vaterunser-Challenge von evangelisch.de zeigen: Gemäß des Motto "Ein Glaube, der weltweit verbindet" sollen 500 Fassungen des Vaterunser in verschiedenen Sprachen und Dialekten zusammenkommen. Christinnen und Christen weltweit sind eingeladen, ihre Vaterunser-Fassung einzusprechen und auf der Kampagnenplattform www.reformaction2017.de bis 31.Oktober 2017 hochzuladen.
Gemeinden, kirchliche Gruppen, Einzelpersonen, Familien – jeder kann seine eigene Variante einsprechen. Und anhören und mitraten. Das testen Gause und Bollmann direkt vor Ort. Im Quizbereich der Website wird das Vaterunser in einer fremden Sprache vorgespielt und man muss aus vier vorgegebenen Sprachen die richtige auswählen. Bei der Wahl zwischen Schwedisch, Finnisch, Dänisch oder Deutsch hilft eine schwedische Messebesucherin. Bei Quechua, Spanisch, Italienisch und Aymara weiß selbst die Journalistin Gause nicht weiter. Aber lernt auf der Website sogleich, dass Quechua in Bolivien gesprochen wird. "Ich werde öfter auf der Seite nachschauen, wie viele Sprachen schon hochgeladen wurden", verspricht Gause.
Gause bezeichnet sich selbst als überzeugte Christin. Von Hause aus evangelisch, ist sie nun "schon lange katholisch verheiratet" und damit eine "Grenzgängerin der Ökumene". Auch wenn sie nicht jeden Sonntag in die Kirche gehe, sagt Gause: "Mein Glaube ist mein Koordinatensystem, Religion macht meine Identität aus. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Religion zu leben."
Was das im Alltag bedeutet, weiß Gause, die nur allzu oft dramatische Nachrichten wie solche vom Krieg in Syrien vermeldet, ganz genau: "Der Glaube ist Impetus zum Handeln. Wir alle sollten daraus eine Verpflichtung zum Helfen ableiten." Ehrenamtliche, die sich für Flüchtlinge engagieren, lobt Gause dabei ausdrücklich. Viele Menschen, die sich selbst als nicht-religiös sähen, trügen etwas Christliches in sich. Sie würden es eben Ethos oder Engagement nennen, aber im Grunde vorbildlich christlich handeln.
"Ich selbst bete nicht wirklich regelmäßig", also nicht jeden Tag oder jede Nacht vor dem Schlafen, gesteht Gause. "Ich nehme mir nach Martin Luther die Freiheit, zu beten wann immer ich möchte: Im Gehen, im Stehen, im Schlaf."