„Die Kirche soll gegen das hemmungslose Wirtschaftswachstum protestieren“, fordert ein chrismon-Leser in einer E-Mail an die Redaktion. Auch gegen Umweltzerstörung, massenhafte Tierquälerei, Überfluss, Verschwendung und die Selbstzerstörung des Menschen im Kapitalismus. „Ich meine öffentlich wahrnehmbaren Protest“, schreibt der Mann, „wie zur Sonntagsarbeit, Stammzellenforschung und Homoehe.“
Das Anliegen mag vollkommen berechtigt sein. Nur kann sich der Leser mit einer Eingabe auch direkt an das Büro der EKD-Synode wenden. An die „Geschäftsstelle der Synode“ im Kirchenamt der EKD, Herrenhäuser Straße 12, 30419 Hannover. So eine Eingabe kann jeder registrierte Protestant in Deutschland machen.
Die Synode – sie trifft sich Anfang November in Bremen – ist die höchste Instanz der Evangelischen Kirche in Deutschland, mit 120 Abgeordneten aus allen Landeskirchen, Pastoren und Nichttheologen. Manche nennen sie ein Kirchenparlament. Ein Parlament wollen die Synodalen allerdings nicht sein. Kaum einer von ihnen ist in Kirchenparteien organisiert, kaum einer wird direkt vom Kirchenvolk gewählt. – Kaum einer, nur in Württemberg ist es anders.
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Anders als Parlamentarier stimmen Synodale nicht nach Fraktionen ab. Parlamentarier formieren sich in Kampfabstimmungen, Synodale wünschen Einmütigkeit. Das christliche Ideal geht auf die Apostel zurück, die „ein Herz und eine Seele waren“. Es ist ein Ideal. Natürlich gibt es Differenzen, aber sie werden weniger scharf als im Bundestag ausgetragen.
Die Synode informiert den Absender am Ende über das Ergebnis der Beratung
Tagt die Synode nicht, führt der Rat der EKD aus 15 gewählten Vertretern die Geschäfte. Manche vergleichen den Rat mit der Bundesregierung. Doch anders als die Kanzlerin hat der EKD-Ratsvorsitzende keine Richtlinienkompetenz, er hat keine Minister und betreibt keine eigene Politik.
Eine Art Bundesrat ist die Kirchenkonferenz, in der alle 20 evangelischen Landeskirchen vertreten sind.
Was würde mit einer Eingabe des chrismon-Lesers für mehr Umweltengagement passieren? Das Präsidium der EKD-Synode würde sie an einen Synodalausschuss weiterleiten, an den für Bewahrung der Schöpfung. Die Fachleute dort können die Eingabe der Synode zur Beratung vorlegen. Ein Gesetzesentwurf würde daraus kaum, eher der Entwurf für eine öffentliche Verlautbarung der Synode. Was immer geschieht: Die Synode muss beraten und entscheiden. Am Ende wird der Absender über das Ergebnis schriftlich informiert.
Nur wenige der rund 23 Millionen Kirchenmitglieder wissen, wie eine Eingabe formuliert sein muss, damit sie Chancen auf Erfolg hat. Und welche ähnlich lautenden Initiativen es in der Vergangenheit gab. Und welche Ausschussmitglieder man gewinnen muss, um der Eingabe Gehör zu verschaffen. Die meisten Gesetzesinitiativen kommen von Synodalen, aus dem Rat der EKD und der Kirchenkonferenz. Je mehr man über die Synode weiß, desto besser.
Wie viel Erfolg eine Eingabe des chrismon-Lesers hätte, ist schwer zu sagen. Vielleicht hülfe sie jenen Synodalen, die ohnehin auf deutlichere Worte aus der EKD für die Bewahrung der Schöpfung drängen. Vielleicht würde die Eingabe abgewiesen, weil man just mit dem Thema befasst war; oder sie würde aufgeschoben, weil sich die Synode gerade reorganisiert. Demokratie ist anstrengend. Wenn die Protestanten ihre Meinung zu Fragen der Gegenwart gemeinsam bilden wollen, muss das organisiert sein. Nur selten gelingt es Einzelnen, sich dabei Gehör zu verschaffen.