Frau Anger, im chrismon-Wettbewerb "liebe erde" hat die "Erste essbare Gemeinde Österreichs" einen Preis gewonnen. Die öffentlichen Plätze des Ortes Übelbach werden nach den Grundsätzen der Permakultur bewirtschaftet – was bedeutet das?
Judith Anger: Der Begriff ist schwierig zu greifen. Das wichtigste bei der Permakultur - wie wir sie betreiben - ist, eine Pflanzenvielfalt einzusetzen. Die konventionelle Landwirtschaft setzt Pflanzen in Reih und Glied, reißt dafür die Erde auf und schüttet sie wieder zu. In der Permakultur hingegen mischen wir das Saatgut. Dadurch gruppieren sich Pflanzen, die sich gegenseitig ergänzen und sich nicht die Nährstoffe wegnehmen. Außerdem hinterlassen wir keine wunde Erde, sondern decken sie mit Mulchmaterial, Stroh oder Heu ab. Deshalb trocknet die Erde nicht aus und es wächst weniger Unkraut. Und: Der Selbstversorgergedanke spielt in der Permakultur eine große Rolle.
Anger: Auch der Biobauer arbeitet mit unterstützenden Mitteln, zum Beispiel mit Dungmitteln. Das fällt bei Permakultur komplett weg. Die Idealform ist, dass mit den im Kreislauf vorhandenen Möglichkeiten gearbeitet wird. In meinem Garten zum Beispiel gibt es kein Schneckengift - da muss ich mir etwas anders einfallen lassen, zum Beispiel Moschusenten.
Sie sind Obfrau des Vereins "PermaVitae" und haben mit Kollegen das Buch "Urbane Permakultur. Jedem sein Grün!" veröffentlicht. Warum interessieren Sie sich für diese Form des Gärtnerns?
Anger: Die Idee der Selbstversorgung fand ich schon länger spannend. Dann habe ich eine Ausbildung zur Holzer´schen Permakulturpraktikerin beim Bergbauern Sepp Holzer gemacht. Er ist in diesem Bereich sehr aktiv und wird inzwischen weltweit eingeladen, um Landschaften zu renaturieren, auch von Regierungen. Ich habe gelernt, dass es sehr einfach wäre, unseren Planeten wieder in ein Gleichgewicht zu bringen
Liebe Erde
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Chrismon stellt außergewöhnliche Ideen und viele Initiativen vor, die vormachen, wie unsere Welt von morgen aussehen kann.
Anger: Man könne sich nur selbst versorgen, wenn man auf dem Land wohnt - das höre ich häufig. Wir wollen deutlich machen: Selbstversorgung ist auch auf wenig Platz und mit etwas Kreativität möglich. Es war uns ein Bedürfnis, den Städtern mit den Projekten, die wir vorstellen, Mut zu machen. Zum Beispiel pflanzt eine Frau in Wien, die nicht einmal einen Balkon besitzt, auf ihrem Fensterbrett Tomaten, Paprika, Gurken an – das geht!
Der Stadt Wien haben wir empfohlen, auf der Dachterrasse der Umweltbehörde ein Permakultur-Projekt aufzuziehen. Im Oktober geht es los und es wird von einer internationalen Studie begleitet. Auch in Deutschland tut sich da viel: Ein Bekannter ist im Leipziger Raum auf die Begrünung von Dächern spezialisiert, in Berlin gibt es die Prinzessinnengärten, in München sind Guerilla Gardener sehr aktiv. Eine mittlerweile große Bewegung.
Haben Sie auch privat Erfahrungen mit dem Gärtnern nach Permakultur gemacht?
###mehr-extern###Anger: Ja, ich habe meinen 100qm-Ziergarten in einen Nutzgarten umgewandelt. Dafür braucht man etwa drei bis vier Jahre. In diesem Jahr haben wir eine frühe Ernte, weil der Winter sehr mild war: Mangold, Rucula, viele Kräuter und Beeren, ich beliefere meine Freunde damit. Vor kurzem habe ich das erste Mal Löwenzahnsirup produziert. Und demnächst bekomme ich noch zwei Enten und zwei Hühner.