und sagt ihnen: Verstoßt die Kinder nicht, sie sind eure Zukunft.
Das Traumazentrum der Ortschaft Muresa liegt in einem Tal, umrahmt von grün bewachsenen Hügeln. Von der Provinzhauptstadt Bukavu bis hierher sind es zwanzig Kilometer, der Jeep braucht dafür mehr als eine Stunde. Endlich hat es Thérèse Mema Mapenzi ins „Zuhörzimmer“ der Sozialstation geschafft. Dort trifft sie eine junge Frau. Wie unzählige andere fiel auch sie bewaffneten Milizen zum Opfer, sie wurde entführt und vergewaltigt. Sozialarbeiterinnen wie Thérèse Mema können erst einmal nur eines für sie tun: zuhören.
Vor allem Frauen sind die Leidtragenden der drei Kongokriege seit 1996, nach manchen Hochrechnungen die blutigsten Auseinandersetzungen seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch die Zahl der misshandelten Frauen kennt niemand genau. Im Juni 2011 veröffentlichte das „American Journal of Public Health“ eine Studie, nach der jede Stunde 48 Frauen im Kongo einer Vergewaltigung zum Opfer fallen würden, bei weitem die meisten in der Krisenprovinz Nordkivu.
Die Übergriffe begannen nach dem Völkermord an den Tutsi in Ruanda vor fast zwanzig Jahren: Radikale Hutu wollten ihre Macht gegenüber dem Minderheitenstamm sichern. Nach dem Sieg der von Tutsi dominierten Rebellenarmee flohen viele der am Völkermord Beteiligten über die Grenze in den benachbarten Ostkongo.
Das Traumazentrum ist eines von 16 in der Erzdiözese Bukavu, Provinz Südkivu, aufgebaut von der kirchlichen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der Erzdiözese und unterstützt vom internationalen katholischen Hilfswerk Missio. In jedem der Zentren arbeiten eine Sozialarbeiterin und eine Sozialarbeiter. Thérèse Mema kommt regelmäßig aus der Stadt dazu.
Ist eine Frau verletzt, wird sie nach Bukavu ins Panzi-Krankenhaus gebracht. Dort behandelt und operiert der Arzt Denis Mukwege mit seinem Team rund um die Uhr. Wegen seines Engagements für die teils schwer verstümmelten Frauen erhält der Gynäkologe nun am 2. Dezember in Stockholm den diesjährigen Right Livelihood Award, auch Alternativer Nobelpreis genannt.
Im Unruhegebiet des östlichen Kongo scheint endlich die Regierungsarmee Oberhand zu gewinnen. Zumindest verkündete sie Anfang November, die letzte Stellung der größten Rebellengruppe eingenommen zu haben. Doch ob der Sieg Frieden bringt, weiß niemand. Kleine Milizengruppen marodieren noch immer in der Region.
Die Vergewaltigungsopfer müssen mit ihren körperlichen und seelischen Verwundungen weiterleben. Ihre Geschichten brennen sich in Memas Gedächtnis. Etwa die von der 32jährigen Vana, die in ihrem Dorf vergewaltigt worden war. Danach ließen die Täter heißes Plastik in ihre Genitalien tropfen. Ihre Geschlechtsteile verbrannten. „Die Milizen benutzen die Vergewaltigungen als Kriegswaffe“, sagt Thérèse Mema. „Sie wollen den Menschen Angst einjagen, sie erniedrigen und dominieren.“
Thérèse Memas Sorge gilt auch den Kindern, die infolge von sexuellen Übergriffen geboren und nicht angenommen werden. „Eine vergewaltigte Frau bedeutet im Kongo Schande für die Familie“, sagt sie. „Ihr Kind führt allen diese Schande jeden Tag vor Augen. Die meisten Frauen begreifen, dass die Kinder keine Schuld daran haben, was passiert ist, und lieben ihre Kinder. Aber die Ehemänner und Angehörigen sagen, das Kind müsse weg.“
Thérèse Mema sieht für das Land nur eine Chance, wenn die Rebellengruppen ihren illegalen Handel mit den Bodenschätzen des Landes, vor allem mit Zink und dem Erz Coltan sowie wertvollen Mineralien, beenden. Denn mit den Gewinnen aus diesem Handel finanzieren sie ihre Waffenkäufe. Auch die Europäische Union versucht, diesem Handel einen Riegel vorzuschieben, durch ein Gesetz, das die Industrie verpflichtet, nur noch „saubere“ Rohstoffe zu verwenden. Vielleicht werde es eines Tages doch wahr, sagt Thérèse Mema, „dass es im Kongo keine Milizen mehr gibt, sondern einen fairen Handel mit Rohstoffen – und ein Ende der Gewalttaten.“