Die Olympischen Spiele in China sind über fünf Jahre her, aber mir wird langsam bewusst, wie bedeutend dieses Ereignis gewesen sein muss. Immerhin war es die perfekte Gelegenheit, der Welt die Früchte einer Erziehung zur Disziplin zu präsentieren.
Ich unterrichte Englisch an einer Mittelschule mit 800 Schülern in Yumen, einer kleinen abgelegenen Stadt im Nordwesten Chinas. Neulich war hier Leichtathletik-Sportfest. Bei der Eröffnungszeremonie marschierten die Klassen im Gleichschritt ein, zur Musik der Schülerkapelle. Anschließend zeigte jeder Jahrgang eine Choreografie zu einem chinesischen Popsong, jede Bewegung war bis ins letzte Detail einstudiert. Beides hatten die Schüler in den Monaten zuvor jeden Tag akribisch geprobt, denn es war Teil des Wettbewerbs. Eine Jury aus Schulleitung und hochrangigen Lehrern bewertete Synchronizität und exakte Ausführung.
###mehr-extern###Trotzdem bot das Sportfest den Schülern meinem Empfinden nach eine willkommene Abwechslung zum Schulalltag. Dieser geht von 7.30 bis 18 Uhr. Für die Internatsschüler folgen noch vier Stunden Stillarbeit im Klassenraum, bevor sie um 22 Uhr auf ihre Zimmer dürfen. Das chinesische Schulsystem ist extrem stark aufs Auswendiglernen ausgelegt. Denn: Nach der Mittelschule und dem Gymnasium schreiben alle Schüler zentrale Prüfungstests, deren Ergebnisse über ihren weiteren Bildungsweg entscheiden, zum Beispiel, wer studieren darf.
Das ist vergleichsweise objektiv, aber die Kehrseite ist, dass ein gutes Abschneiden in diesen Tests oft zum Selbstzweck wird. Auch bleibt die Anwendung des Gelernten auf der Strecke. Viele meiner Schüler kennen Hunderte englischer Vokabeln, können aber keine drei Sätze bilden. Ich bin kein professioneller Lehrer, aber ich versuche, mit ihnen zu üben, Sprache als Mittel zur Verständigung einzusetzen.