Marie-Therese Reichenbach klingt am Telefon etwas atemlos. Seit dem 1. November ist die 28-jährige Streetworkerin als "Frostschutzengel" in den Berliner Obdachloseneinrichtungen unterwegs. Zusammen mit zwei Mitstreitern hilft sie wohnungslosen Osteuropäern über den Winter. Arbeitslose Männer, Alkoholsüchtige, schwangere Frauen. Aber auch einem 25-jährigen Hochschulabsolventen, der mit Karriere-Ambitionen in den Westen kam, aber hier weder Job noch Wohnung fand. "Es ist jede Menge zu tun." sagt Reichenbach. "Der Bedarf ist riesig."
Immer mehr Gestrandete aus dem Osten
Seit der EU-Osterweiterung steigt die Zahl der Gestrandeten aus Ländern wie Bulgarien, Polen oder dem Baltikum stetig an. Reichenbach spricht litauisch, lettisch und etwas russisch, ihre Kollegen andere osteuropäische Sprachen. Sie kommen regelmäßig in die Notunterkünfte, sprechen die Menschen an, klären über Hilfsmöglichkeiten auf, dolmetschen bei den Ämtern.
Manchmal werden sie von Mitarbeitern gerufen, wenn eine Situation zu eskalieren droht. Oft reiche es dann, sagt Reichenbach, einfach da zu sein und mitzureden - in der Sprache der Leute. Einmal rief ein Pole mit lauter Stimme durch den Essensraum, ob er noch einen zweiten Teller Suppe kriegen könnte. Die anderen verstanden ihn nicht. Für sie klang es, als wollte er einen Streit anfangen. Die Suppe bekam er nicht, was den Mann dann erst wirklich verärgerte. "In dem Fall war die Hilfe leicht", sagt Reichenbach: "Einmal übersetzen, und alles war geklärt".
In den Behörden: "skandalöser" Umgang mit Ausländern
Was ihr in diesem Winter mehr zu schaffen machte, waren die Behörden, zu denen sie manche Klienten begleitete: Ausländer-, Sozial- oder Arbeitsämter. Sie habe mitbekommen, wie Sachbeamte fälschlicherweise behaupteten, sie könnten kein Englisch oder wie richtig ausgefüllte Anträge einfach nicht angenommen wurden. "Wie auf den Ämtern mit Menschen umgegangen wird, die kein Deutsch sprechen, ist skandalös." Auch das ist ein Anliegen der Frostschutzengel: "Es muss politisch geklärt werden, dass diese Menschen von einem sozialen Netz aufgefangen werden."
Riesige Resonanz auf Chrismon-Artikel
Der Einsatz der "Frostschutzengel" war nur bis zum 31. März geplant. Doch der Bedarf sei unabhängig von der Jahreszeit so groß, dass sie weitermachen wollen, sagt Lina Antje Gühne, Öffentlichkeitsarbeiterin der Gebewo (Gesellschaft zur Betreuung Wohnungsloser), die das Projekt initiiert hat. Sie hatte im vergangenen Jahr den Kontakt zu Chrismon hergestellt, worauf wir in der Dezemberausgabe über die Frostschutzengel berichteten. Die Resonanz der Leserinnen und Leser war riesig. Sie spendeten insgesamt 10.000 Euro. Gühne schreibt: "Wir wollen uns ganz herzlich bedanken! Das ist ein toller Erfolg, und wir freuen uns wirklich sehr."
Mit diesen und anderen Spendengeldern werden die Stellen der Frostschutzengel finanziert. Bis Ende des Jahres 2013 steht jetzt das Projekt. Reichenbach freut sich, dass sie weitermachen kann: "Es ist anstrengend", sagt sie, "aber es ist einfach auch ein toller Job."