Angeblich soll am 21. Dezember 2012 Schluss sein. An dem Tag endet der Mayakalender und mit ihm die vierte und angeblich letzte Epoche der Weltgeschichte – sofern man modernen Interpreten der Mayamythen Glauben schenken darf.
Tatsächlich lassen sich manche Weltuntergangspropheten von solchen Berechnungen beeindrucken. Einige Astrologen meinen, Konstellationen am Himmel ausmachen zu können, die ein baldiges Ende beweisen. Das I-Ging – ein schwer verständliches, aber für die chinesische Philosophiegeschichte bedeutendes Werk, in das New-Age-Apostel alles Mögliche hineinlesen – soll nun angeblich auch diesen Untergang voraussagen. Sogar ein indischer Guru, verehrt als Inkarnation des Gottes Vishnu, hat sich für eine entsprechende Ansage hergegeben.
Dass die Welt untergeht, ist unstrittig
Da können Mayaexperten wieder und wieder betonen, das Ende eines Mayazeitalters müsse keinesfalls den Weltuntergang nach sich ziehen: Wer es glauben will, dem hilft auch besseres Wissen nicht.
Dass die Welt irgendwann untergeht, ist unstrittig. Spätestens in fünf Milliarden Jahren, so lautet die geläufige Auskunft von Wissenschaftlern, werde sich die Sonne ausdehnen und die Erde vernichten. Mancher befürchtet allerdings, dass sich die Menschheit vorher selbst ihrer Lebensgrundlagen beraubt. In den 1980er Jahren dominierte die Angst vor einem nuklearen Winter, wenn sich zwei Supermächte mit Atomwaffen gegenseitig auslöschen. Heute erscheint der vollständige Kollaps des Ökosystems Erde eher wahrscheinlich. Und die Frage wird immer dringlicher, ob es der Menschheit gelingt, diese Katastrophe abzuwenden.
Letzte Dinge tun
Weltuntergangsszenarien erschrecken nicht nur, sie faszinieren auch. Kaum jemand glaubt ernsthaft, am 21. Dezember sei alles vorbei. Die Zeitungen vermelden weder massenhafte Büßerbewegungen noch dass Menschen ihr Hab und Gut verkaufen und den Erlös an die Armen verteilen. Auch um die lästige Steuererklärung 2011 wird niemand herumkommen.
Eher sind solche Szenarien eine Art Gedankenexperiment: Wie würde man sich selbst angesichts des drohenden Endes verhalten? Man kann sich der Antwort empirisch nähern, indem man Menschen befragt, die wegen einer Krankheit nur noch eine begrenzte Zeit zu leben haben. Sie antworten oft, dass sie in der verbleibenden Zeit am liebsten Dinge tun, die ihnen vertraut sind: eben keine Weltreise, keine Exzesse, sondern einfach die Normalität genießen und ihrer Kostbarkeit gewahr werden.
Die Depressive blüht in der Katastrophe auf
Man kann sich diesem Gedankenexperiment auch künstlerisch nähern. Der Regisseur Lars von Trier tut dies in seinem Film „Melancholia“. Eine der Hauptfiguren, Justine, streitet sich auf ihrer Hochzeitsfeier mit dem anwesenden Arbeitgeber und mit ihrem Mann – und verliert Job und Ehe. Nach dem Zusammenbruch nimmt sich ihre tatkräftige Schwester Claire Justines an. Dann nähert sich ein fremder Planet der Erde. Claires Mann John leugnet die Gefahr. Er glaubt Berechnungen, nach denen die Erde verschont bleibt. Claire verliert angesichts der drohenden Katastrophe die Fassung. Die sonst depressive Justine dagegen blüht auf.
Man kann „Melancholia“ auch als Metapher für den Untergang einer verlogenen bürgerlichen Welt deuten. So verstanden biblische Apokalyptiker die Anzeichen des drohenden Weltuntergangs. Eine Katastrophe von kosmischer Dimension stehe bevor, doch ein heiliger Rest des Volkes werde ihr entgehen und noch einmal neu anfangen – wie Noah nach der Sintflut. Ein Gottesgericht werde das Desaster beenden. Die Bösen würden verworfen und die Guten freigesprochen werden. Dem folge ein ewiges irdisches Friedensreich (Daniel 7).
Apfelbäumchen pflanzen
Apokalypsen wie die Johannesoffenbarung wurden in Zeiten drängender Not unter brutalen Tyrannen geschrieben. Sie sind Hoffnungsschriften, die zum Durchhalten aufrufen. Sie mahnen, angesichts der Katastrophe nicht in Zynismus zu verfallen, sondern selbst dem Ende aufrecht entgegenzugehen. Immerhin bestehe in jeder noch so aussichtslosen Lage eine kleine Chance, gerettet zu werden.
So gesehen kann man christliche Apokalyptik als Appell gegen den Fatalismus verstehen. Ähnlich soll es auch der Reformator Martin Luther gehalten haben. Ihm werden diese Worte zugeschrieben: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich noch heute ein Apfelbäumchen pflanzen.“
Nicht früh genug
In ein paar Milliarden oder aber Millionen Jahren, weil die Sonne sich ausdehnt oder der Mond sich entfernt, je nachdem, welchem von dramatischer Musik unterlegten N24-Weltuntergangsszenario man folgen mag. Ist auch völlig egal: Keiner von uns wird es — anders als Lars von Triers Justine — erleben. Dem Ökosystem Erde ist es auch völlig egal, ob ein paar Spezies mehr oder weniger auf ihr wandeln, oder wie hoch das Wasser steht. Einer verliert, ein anderer gewinnt — Katastrophen sind rein subjektiv.
„Après nous le déluge“ (Mme de Pompadour)