Foto: Kurt Hörbst
Bideshi, mach ein Bild von mir!
Bideshi, das heißt auf Bengalisch so viel wie „Fremder“. Und wenn ein Fremder in ein armes Dorf am anderen Ende der Welt kommt und Fotos machen will, sind die Bewohner oft reserviert. Doch als der Wiener Fotograf Kurt Hörbst nach Rudrapur in Bangladesch kam, hatten die Bewohner so viel Spaß am Bild von sich, dass die Idee entstand: Wir bauen ein Fotostudio!
Tim Wegner
25.01.2011

Dieses Strahlen! Die guckt aber selbstbewusst in die Kamera, diese Familie. Und diese schöne Frau im leuchtend roten Sari. „Das ist mir bei meinen Reisen rund um die Welt selten passiert“, sagt der Wiener Fotograf Kurt Hörbst, „dass sich Leute so gern fotografieren lassen!“ Eigentlich war Hörbst im Jahr 2005 mit einem klaren Auftrag in das kleine Dorf Rudrapur in Bangladesch gekommen, in eine der ärmsten Gegenden der Welt. Er sollte ­Architekturfotos machen, und zwar von der METI-School, das steht für „Modern Education and Training Institute“. Das Besondere an dieser Schule sind nicht nur moderne Lernmethoden, sondern vor allem die Bauweise: Die deutsche Architektin Anna Heringer arbeitete mit Material, das es in dieser Gegend gibt. Und das zudem ein gesundes Raumklima schafft. Das Gerüst aus Bambus, die Mauern aus Lehm, eine alte Bautradition, die ins Vergessen geraten war. Finanziert ­wurde die Schule von Shanti, einem gemeinnützigen Verein in Deutschland, dekoriert wurde die schöne Lehmschule mit zahlreichen ­Architekturpreisen (www.meti-school.de).

Damit wäre die Mission des Fotografen ­eigentlich erfüllt gewesen. Aber er fand Spaß daran, die Leute aus Rudrapur zu fotogra­fieren. „Bideshi . . .  chobi, chobi!“, riefen sie hinter ihm her, „Fremder, mach ein Bild von mir!“ Ein Traum für einen Fotografen. Sonst fühlt er sich oft als Eindringling, in vielen ­indigenen Kulturen ist Fotografie verpönt als der „geraubte Blick“. Nicht so in Bangladesch. Das Dorf Rudrapur ist arm. Es gibt in den ­Hütten kein Wasser, keinen Strom, nein, natür­lich auch kein Fernsehen mit Bollywood-­Filmen. Nur die Hilfsorganisation hat in ­ihrem Gemeinschaftsraum einen Fernseher, dessen Verlängerungskabel aus dem Fenster hängt, damit die Dorfbewohner die Akkus ­ihrer Mobiltelefone aufladen können.

Bilder gibt es durchaus im Dorf, Wahl­plakate, Zeichnungen in Schulbüchern. „Aber Fotos“, sagt Hörbst, „gibt es so gut wie gar nicht.“ Umso begeisterter waren die Dorfbewohner, wenn Hörbst mit seiner Großformatkamera kam. Es entstand die Idee, ein professionelles Fotostudio einzurichten. Aus Lehm und Bambus wie die Schule. 2008 reiste Hörbst mit seiner Lebensgefährtin Alexandra Grill wieder nach Rudrapur und baute mit den Dorf­bewohnern das „Bideshi Photostudio“, aus Lehm und Bambus. Einen Monat lang arbeiteten sie daran, einige Tagelöhner fanden bezahlte Beschäftigung. Wie zwei Rinder den Lehm weich stampfen, wie die Arbeiter Lehmbatzen auf Lehmbatzen setzen, wie die beiden Österreicher am Richtfest feierlich das rote Band durchschneiden – das kann man in einem kleinen Film sehen, der derzeit auf ­Festivals gezeigt wird (www.hoerbst.com). Und was man noch sieht: Wie stolz die Bewohner aus Rudrapur sind, wenn sie sich im Fotostudio in Szene setzen.

„Stolz sind sie vor allem, wenn sie das Bild von sich sehen“, erzählt der Fotograf. Neugierig, belustigt, meist aber sehr enthusiastisch nehmen sie die Fotos entgegen, die gleich vor Ort ausgedruckt und laminiert werden. Inzwischen sind Fotograf und Frau wieder in Wien, die Fotos voll praller Lebensfreude werden mit Preisen gekrönt und hängen sogar in der National Portrait Gallery in London (bis 20. Februar). Und in Rudrapur, was bleibt? Die Bilder in den Hütten der Familien, klar. Aber auch das Fotostudio soll ein nachhaltiges Projekt werden, das von der Hilfsorganisation Dipshikha weitergeführt wird. Digitalkamera, Drucker und Laminiergerät haben die Österreicher dagelassen. Und ein Dörfler macht jetzt eine Ausbildung in Dhaka. Er soll später das Fotostudio weiterbetreiben. Und vielleicht rufen sie bald auch ihm hinterher: „Chobi, chobi!“ Mach ein Bild von uns!

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