Ich habe schon lang gemerkt, dass die Regina*, also damals der Richard*, unglücklich war. Er wohnte ja mit seiner Frau und den Kindern direkt neben mir im Haus. Abends wurde es oft laut drüben. Aber ich traute mich nicht zu fragen, was los ist. Sonst haben sich die beiden nichts anmerken lassen. Die mochten sich, mögen sich immer noch. Früher haben wir viel zusammen unternommen. Einmal in der Woche sind wir zu viert mit meinem Mann zum Kirchenchor gefahren.
Dann kam der Brief, sie hat ihn an alle gleichzeitig verschickt, an Nachbarn, Kollegen, die Familie. Da stand drin, dass sie schon seit ihrer Kindheit wusste, dass etwas nicht stimmt, aber es selbst nicht begreifen konnte. Und dass sie sich „nach langem Heulen und Grübeln“ entschlossen habe, als Frau zu leben. „Ab sofort bin ich die Regina.“
Mein erster Gedanke war: Ich bin schuld
Ich verstand nichts. Ich hatte mich nie mit so was beschäftigt. Mit meinem Mann konnte ich nicht reden, er war damals schon dement. Vielleicht war das gut so. Ich glaube, er hätte das nicht geschafft. Am Anfang habe ich viel mit meiner Schwiegertochter gesprochen und geweint. Sie hat die Regina in Schutz genommen. Sie wusste als Einzige, wie viele Jahre sie gelitten hat. Die Ehe ist trotzdem zerbrochen, das tut mir sehr leid.
Mein erster Gedanke war: Ich bin schuld. Ich hatte mir immer eine Tochter gewünscht. Doch ich bekam vier Buben, der vierte war der Richard. Die Regina hat mich beruhigt: „Nein, Mama, das hat nichts mit dir zu tun!“ Und der Psychologe von der Diakonie hat mir erklärt: „Das nennt man Transsexualität, das ist eine Veranlagung, und das kommt öfter vor.“
Warum habe ich das nicht vorher bemerkt?
Anfangs haderte ich sehr. Warum habe ich das nicht vorher bemerkt? Die Regina war zwar schon ein wenig anders als ihre Brüder, sie war immer empfindlich, hat viel geweint, aber ich wäre nie darauf gekommen, dass sie so unter ihrem Körper leidet. Heute denke ich, vielleicht hat Gott gedacht, wer soll das schaffen, wenn nicht unsere Familie? Ich habe vier leibliche Kinder großgezogen und drei angenommene. Geliebt habe ich sie alle. Schon als Pflegemutter musste ich lernen: Jeder Mensch ist anders, und man muss ihn so annehmen, wie er ist.
Natürlich war der Übergang nicht leicht. Anfangs sah Regina noch aus wie ein Mann in Frauenkleidern. Jetzt schminkt sie sich dezenter, das sieht viel natürlicher aus. Als sie dann nach der Geschlechtsangleichung aus dem Krankenhaus heimkam, schluckte ich erst mal. Jetzt ist sie wirklich kein Mann mehr. Aber das Wichtigste ist, dass sie sich wohlfühlt. Und sie hat jetzt so was Strahlendes! Früher war sie oft gereizt, jetzt ist sie ausgeglichener, weicher. Sie umarmt mich sogar, ganz von sich aus.
Enttäuscht von der Kirchengemeinde
Für mich war klar, dass ich mich auf die Seite meines Kindes stelle. Meine Buben haben das erst nicht verstanden. Die sagten: Das kann er doch nicht machen, der muss doch an die Kinder denken und an seine Frau! Aber es ging ja auch um die Regina. Keiner hat gefragt, wie es ihr geht. Ich lese jetzt viel darüber. Früher haben sich viele das Leben genommen, weil sie sich nicht getraut haben, sich zu outen.
Am meisten enttäuscht haben mich einige Menschen aus der Kirchengemeinde. Da hieß es: „Wenn man das gewollt hätte, dann hätte man sich wieder umpolen können.“ Kurz, die Regina ist schuld an allem. Und dann hatten wir einen pensionierten Pfarrer in der Gemeinde, der hat sie bearbeitet, dass es da Selbsthilfegruppen gibt, die ihr helfen, wieder ein Mann sein zu wollen. Ich denke, das ist auch die Meinung im Dorf. Alle Freunde halten zu meiner Schwiegertochter. Niemand lädt die Regina mehr ein. Mir tut das sehr leid. Die Regina ist ein wertvoller Mensch. Sie hat viel verloren. Aber sie hat auch was gewonnen. Denn ihre Identität, ihr Menschsein, das ist doch sehr wichtig.
Langsam gewöhnen wir uns alle daran, auch ihre Brüder, die gehen jetzt wieder mit ihr wandern. Nur mit dem „sie“ vertue ich mich manchmal immer noch. Neulich habe ich sie angerufen, als ihre Tochter ein Kind bekommen hat, und gesagt: Glückwunsch, Opa! Wir haben beide darüber gelacht.
Protokoll: Ariane Heimbach
Aus dem Sohn wird eine Tochter
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Es erschreckt mich ein wenig,
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Aus dem Sohn wird eine Tochter
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Häh wie bitte: Aus Frau wird Frau?
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Leserbrief A. Galle
Guten Tag, ich bin auf diese Seite gestossen, weil wir selbst betroffene Eltern sind. Zunächst einmal bin ich sehr froh und total positiv überrascht, dass eine christliche Zeitschrift so offen und wertschätzend mit dem Thema umgeht. Daher finde ich die Kritik von Frau Galle absolut ungerechtfertigt und ihre Einstellung sehr selbstgerecht. Chrismon ist die bisher einzige christliche Zeitschrift, die so sachlich und vorurteilsfrei berichtet. Frau Galle, Sie fordern Toleranz, das heisst aber auch, tolerant gegenüber Meinungen und Gefühlen zu sein, die nicht den eigenen entsprechen. Haben Sie auch nur den Bruchteil einer Sekunde darüber nachgedacht, wie sich Eltern fühlen?? Sie haben einen Sohn oder eine Tochter bekommen, nach der Geschlechtsangleichung gibt es diesen Menschen, wie sie ihn / sie Jahre oder Jahrzehnte gekannt und geliebt haben so nicht mehr. Glauben Sie mir: Es fühlt sich wirklich so an: Das kleine Mädchen, das Sie hatten, gibt es nicht mehr, es entwickelt sich zum Mann. Das ist anders, als wenn ein Junge zum Mann wird, bei der Transition geht ein Teil verloren. Ich liebe unser Kind, wie es ist, ich weine aber auch fast jede Nacht um unsere verlorene Tochter. Für mich ist ein Kind gestorben und ich habe ein weiteres bekommen. Dies liebe ich nicht weniger, trotzdem habe ich ein Recht zu trauern. Dieses Recht wollen Transgender - Kinder ihren Eltern nehmen, indem der Geburtsname und alles , was an das Leben "davor" erinnert, nicht mehr sein darf, Fotos zerrissen werden usw. Das ist grausam. Gleichzeitig wird man überrollt von Aktivitäten, die erschreckend wirken. Wir hatten eine hübsche, kerngesunde Tochter. Die hat nun keine Brüste mehr und eine stärkere Körperbehaarung als so mancher Mann. Die "Verstümmelung" eines gesunden Körpers tut mir heute noch unsagbar weh. Und ich mache mir Sorgen um Nebenwirkungen der lebenslagen (!!) Hormonbehandlung. Unser einst fröhliches Mädchen ist nun ein ernster, verschlossener junger Mann. In mir reift immer mehr die Erkenntnis, dass wir womöglich einen furchtbaren Fehler gemacht haben, als wir das alles zugelassen haben. Ich glaube, dass der Denkansatz falsch ist, ein Mensch müsse 100% Frau oder 100% Mann sein. Wer sich dem weiblichen Geschlecht nicht zugehörig fühlt, muss zwangsläufig männlich sein und wird dazu gemacht. Medizinisch ist ja alles möglich. Aber auch richtig?? Es gab und gibt Kulturen, die mehrere Geschlechter kennen. Man kennt viele "Zwischenstadien" Warum darf ein Mädchen nicht burschikos sein und männliche Züge haben oder ein Mann feminine Wesensarten?
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Verständnis und Zweifel
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Spannungsfeld
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Angebliche (sexuelle) Wunsch eines/r Transsexuellen
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Nächstenliebe für ALLE
Von ganzem Herzen bedanke ich mich über den Artikel über den Lebensweg von Regina!
Ich gehöre der Neuapostolischen Kirche an;dort kenne ich auch einige transsexuelle Frauen.
Gerade die Älteren unter ihnen haben geheiratet und Kinder.
Es ist ein sehr schwerer Weg;insbesondere auf dem Land und wenn man in einer streng religiösen Familie aufwächst.
Gott sieht das Herz an,dieses wurde ich in der Kirche gelehrt;so sollte es auch unter den Menschen sein,so wie Jesus die Menschen,welche ausgestoßen waren nicht verachtet hat!
Die Seele,die eigene Individualität ist das Wichtige;das ein Mensch glücklich sein darf;
Gott ließ es zu,das es Menschen gibt,bei denen das körperliche Geschlecht nicht mit dem Gehirn,
der Gefühlswelt überstimmt.
Aber er hat dies mit Sicherheit nicht nach dem Motto gemacht:"So,die Regina,der gebe ich mal einen männlichen Körper und ein weibliches Gehirn,die soll gucken wie sie damit klarkommt"
Gott ist die Liebe und er möchte sicher,das Menschen glücklich sind und kein Leben in Einsamkeit und Verachtung leben;geschweige denn im Selbsthass.
Ich wünsche allen viel Kraft und das jeder Ja zum Leben sagt.Lieber Operationen als im Suizid diese Erde verlassen!
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Danke
Wie Sie sicher wissen gibt es im internet mehrere Foren für TV und TS. Ein sehr seriöses ist 'transtreff'. http://www.transtreff.de/forum/medien-tipps/radio-b%C3%BCcher-zeitschriften-aktuelle-pressemeldungen/outing-auf-dem-dorf
Ich begehe hier keine Indiskretion, denn der link verweist auf den öffenlichen Teil des Forums. Nicht verraten werde ich natürlich, wer sich hinter diesen Menschen verbirgt. Die Öffentlichkeit wäre mehr als überrascht. Das aber nur so am Rande.
Nochmals ein ganz aufrichtiges Danke an Sie alle in der Redaktion. Kann ich davon ausgehen, dass Maria und Regina von den Reaktionen erfahren? Besondere Grüße an diese und an die Schwiegertochter!
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Umpolung hoch riskant
Als transsexuelle Frau habe ich jahrelang versucht, gegen mein Innerstes anzugehen und anzukämpfen. Wenn Menschen behaupten, man könne Transsexualität erfolgreich "therapieren" (d.h. "umpolen"), dann halte ich das für eine unseriöse und sehr gefährliche Aussage, weil:
* diese Form der "Therapie" m.W. in keinster Weise wissenschaftlich seriös und durch evidenzbasierte Studien zu untermauern ist
* diese reperativen Therapien Menschen in den Suizid treiben, wie man es bei David Reimer nachlesen kann (die Mutter sprach von ihm als Opfer eines wenn „katastrophalen Experiments“ (Umpolungstherapie): https://de.wikipedia.org/wiki/David_Reimer).
Deshalb braucht es:
* mehr Forschung und seriöse Studien (vgl. www.trans-health.info)
* mehr Reflexion über den Umgang mit Bibeltexten, die viele hundert Jahre vor unserer Zeit entstanden sind und die wir in vielen anderen Punkten eben auch nicht wörtlich nehmen (Gott sei Dank gibt es inzwischen Medikamente gegen Lepra und man muss niemanden in eine Leprakolonie stecken, wie das zur Zeit Jesu noch üblich war: http://www.predigten.de/predigt.php3?predigt=13321).
* Bildungsarbeit zum Thema "Transsexualität" (auf die verschiedenen Begriffe gehe ich in meinem Blog näher ein: https://aufwind2012.wordpress.com/worterbuch/)
Ich wünsche den Eltern sowie denjenigen, die transsexuell sind, dass die Gesellschaft immer mehr über die Hintergründe lernt und mehr Verständnis für eine Geschlechtsangleichung aufbringt.
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