Erzbischof Paulino Lukudu Loro stellt ein Marmeladenglas voller Erde auf den Altar. Daneben zwei Medikamentenfläschchen, ebenfalls mit roter Erde gefüllt. Er hat uns in seine winzige Privatkapelle an der sandigen Hauptstraße von Juba zur Morgenandacht eingeladen. Wie Reliquien zieren die Gläschen das purpurne Altartuch. "Diese Erde", sagt der Bischof und schaut uns mit seinen großen Augen an, "ist verbrannte Erde." Eigenhändig hat der Kirchenmann sie von den Feldern, aus den Landstrichen seiner Gemeinde in Afrikas flächengrößtem Staat geholt, als das Land längst verlassen war.
Für Marcel Rizea, einen gebürtigen Rumänen, hat Erde eine ganz andere Bedeutung. Nichts Schreckliches, nichts Rückwärtsgewandtes, nein, für ihn ist sie Zukunft. Der Ölingenieur will sie durchdringen, mit neuester Technik, er hat eine komplette Ölplattform nach Juba transportiert, die in Hannover erprobt wurde und 6000 Meter tief in die Erde bohren kann. Jetzt wartet der stählerne Gigant in einem Arbeitscamp der moldawischen Ölfirma Ascom am Nil auf den Weitertransport. Die schwerste Etappe, den Strom herunter von Juba nach Bor, steht noch bevor, doch Rizea, ein kleiner drahtiger Mann, und seine 420 Arbeiter werden die Sache schon wuppen. Dass sie überhaupt hier sind, ja, dass wieder nach Öl gebohrt wird im Sudan, dass der katholische Bischof und seine zwei Kathedralen überlebt haben, dass nach einem halben Jahrhundert Bürgerkrieg aktiv an der Zukunft gebaut wird all das grenzt an ein Wunder.
Die Geburt eines neuen Staates steht an
Die Geburt eines neuen Staates steht an, und Juba, die Metropole der archaischen Region am oberen Nil, wird seine Hauptstadt. Eingebettet in wuchernde tropische Landschaft, zwischen sattgrünen Mango-, Teak- und Feigenbäumen herrscht hier Goldgräberstimmung. Kolonnen wohlmeinender und vielleicht auch weniger wohlmeinender Aufbauhelfer, Privatinvestoren und Ölbarone, Cowboys und Kirchenhilfswerke, haben ihre Zelt- und Containercamps am Ufer des Nils aufgeschlagen. Dazwischen die Exrebellen, plötzlich mit Regierungsverantwortung, die den Kurs definieren, ein Land gestalten sollen. Die Waffen schweigen. Die Verbindungswege in die Nachbarländer sind offen, die Märkte gefüllt. Eine Million Vertriebene sind bisher in ihre Dörfer zurückgekehrt, weitere drei Millionen werden erwartet. Die Vereinten Nationen haben 4500 Kilometer Buschtrampelpfade in unwegsamem Terrain entmint; knapp eine Million Kinder mit Schulbüchern und Schreibheften versorgt.
Frieden ist komplizierter als Krieg: Auf einem Territorium dreimal so groß wie Deutschland, ohne Straßen, Elektrizität und Telefonleitungen, probt der schwarze Südsudan durch ein Abkommen und eine Verfassung legitimiert die Unabhängigkeit vom arabischen Norden, nennt sich schon mal "New Sudan". "Der Südsudan ist unser Baby", freuen sich die Vertriebenen, die auf die verbrannte Erde ihrer Heimat zurückkehren. "Ein Kind gebären kann jeder", warnt der Sprecher des Südparlaments James Wani, "ein Kind gut aufzuziehen, das ist die Kunst."
Wer nach Juba kommt, erlebt das Entstehen eines Staates aus dem Nichts, lernt die Gesetzmäßigkeiten und neuen Global Players im Afrika des dritten Jahrtausends kennen. Über den Strohhütten der Dinkas sorgt ein drahtloses Netz der Vereinten Nationen für problemlosen Internetzugang. Auf Wegen mit Riesenschlaglöchern herrscht die höchste Geländewagendichte der Welt. Juba sei das größte Dorf Afrikas und zugleich, nach Tokio, die zweitteuerste Stadt der Welt, heißt es. Schmale Wege verbinden wie in einem weitläufigen Schrebergarten ganze Stadtteile aus Bretterbuden für geschätzte 300 000 Einwohner. Ein Zeltplatz für ausländische Helfer kostet 200 Dollar, die Parallelgesellschaft der Hilfe hat ihren Preis. Dass die Range Rover und Luxuscamps keine Missgunst und Kriminalität entfachen, ist ebenfalls ein kleines Wunder.
Chinesische Elektriker werkeln auf Leitern am Parlament
Chinesische Elektriker werkeln auf Leitern im Parlament, einem verwahrlosten Gebäude aus den 70er-Jahren, jenem Jahrzehnt des Waffenstillstands, als kurz einmal Normalität eingekehrt war in diesem Hauptstadtdorf am Nil, das seit der Unabhängigkeit des Sudans im Jahre 1956 nur Krieg gekannt hat. Aus Kenia kommen die Lehrer, aus Uganda die Taxifahrer, aus Mosambik Regierungsberater. Manche Allianzen sind verwirrend, andere undurchschaubar. In Juba, sagen Experten, stehe auch eine Entwicklungshilfe auf dem Prüfstand, die Probleme von morgen noch mit Rezepten von gestern angehe. "Juba könnte ein Symbol für Afrika im Aufwind werden", meint David Gressly, Chef über 5000 militärische und 2500 zivile Mitarbeiter der Vereinten Nationen im Südsudan.
Das neue China in Afrika: Mr. Gao Xiang
Gleich hinter dem Parlament und einem matschigen Acker, auf dem die Büffel der Dinka des größten Stammes des Sudans mit ihren mächtigen Hörnern weiden, sitzen die neuen Top-Investoren aus dem Reich der Mitte in schmucken Containern. Aufgeräumt wie sein Camp für 110 chinesische Arbeiter gibt sich der 27-jährige Projektleiter, der sich als "Mr. Gao" vorstellt. Er trägt Jeans, spricht fließend Englisch und wirkt keinesfalls wie ein postkommunistischer Technokrat, sondern eher wie ein Boomtown-Yuppie aus Shanghai. Er ist um Transparenz bemüht und beginnt ohne Umstände zu erzählen. In Juba renovieren Mr. Gao und seine Truppe Krankenhaus, Parlament, Regierungssitz und einen Alterssitz für die Witwe des kurz nach dem Friedensschluss verunglückten Rebellenchefs. Gesamtkosten: 46 Millionen Dollar. Bauzeit: 21 Monate. Auftraggeber und Zahlherr: die Regierung des Südsudans.
Das Krankenhaus bietet ein Bild des Jammers
Patienten lagern mit Sack und Pack auf dem Rasen des weitläufigen Klinikareals mit über fünfzig kolonialen Terrassenbauten, eine Art Lambarene des Südsudans. Die Station für Inneres bietet ein Bild des Jammers: halb eingestürzt die Fassade, verdreckt die Metallbetten, aber rührend bemüht die Schwestern. Die Zahnambulanz ist bereits saniert: einladende Holzbänke im Wartezimmer, die Böden frisch gefliest, die Vorratsschränke neu verleimt.
Juba ist ein Beispiel für den leisen Vormarsch der Chinesen in Afrika, seit der Jahrtausendwende drittgrößter Handelspartner nach den USA und Frankreich. Ob Despotie oder Demokratie: China ist schon da. Der Westen sieht die neue Freundschaft kritisch. Im Sudan ist die Lage besonders verzwickt, weil die Chinesen enge Verbündete der Regierung in Khartum sind. In Juba hätten sie doch bisher nur Gutes gebracht, halten die Einheimischen dagegen. Gao, der dynamische Jungmanager, möchte die Ausbreitung seiner Landsleute in Afrika dann auch lieber wirtschaftlich als politisch gedeutet sehen: "Wir sind wettbewerbsfreudiger, wir sind billiger." Kurz skizziert er für uns die Philosophie von Covec, der "China National Overseas Engineering Corporation", einem staatlichen Unternehmen, das bis in die 90er-Jahre Entwicklungshilfe leistete, sich aber heute als "Kontraktor" im Süd-Süd-Geschäft betrachte: "Pro Arbeiter 1000 Dollar Gehalt und einen Tag frei im Monat, für jeden beschäftigten chinesischen Arbeiter werden fünf lokale Kräfte ausgebildet, für Zulieferarbeiten kommen nur einheimische Firmen in Frage." Zu diesem Deal sagte der Südsudan Ja.
Der Machthaber: Dr. Riek Machar
"Viel lieber als mit den Chinesen würden wir mit den Deutschen Geschäfte machen", sagt Dr. Costello Garang Ring Lual, südsudanesischer Spitzenpolitiker und Vorsitzender des "New Sudan Foundation", der Jahrzehnte in Deutschland verbracht hat. "Der Unterschied ist nur, die Chinesen bieten sich an, die Deutschen nicht." Sonntagabend 19 Uhr. Wie jeden Abend um diese Zeit ist es bereits stockdunkel im äquatornahen Juba. Mückenschwärme tänzeln über dem Nil. Auf dem Konyo-Konyo-Markt machen die Händler die Gaslaternen an, verhökern Papayas aus Uganda und wechseln Geld. Als enger Vertrauter der Führungsspitze und langjähriger außenpolitischer Sprecher der Rebellenbewegung SPLM ist Garang bestens vernetzt. Der 53-Jährige ist einer der schärfsten Denker des Sudans, hat in Berlin Tiermedizin, Politologie und Psychologie studiert. Wer mit ihm unterwegs ist, braucht auf einen Termin bei der Regierung nicht lange zu warten.
Auf cognacfarbenen Ledersofas im Wohnzimmer eines weißen 70er-Jahre-Bungalows bittet Dr. Riek Machar, Vizepräsident des Südsudans, bei laufendem Fernseher zum Interview. Aus einem Verteilerkasten an der Decke quellen Kabel, vor dem Fenster hängen zweckentfremdete orangefarbene Saris ein pompöser Regierungspalast sieht anders aus. Wenn Südpräsident Salva Kiir in Khartum weilt, führt Machar in Juba die Geschäfte. Der charismatische Mittfünfziger wurde unter anderem dadurch bekannt, dass er eine englische Entwicklungshelferin zur Zweitfrau nahm. Als glänzender Taktiker, skrupelloser Soldat, aber auch als hart arbeitender Pragmatiker hat sich der Rebell einen Namen gemacht. Ob er die Rolle eines Staatsmannes füllen kann, wird sich zeigen.
Mit "Agroindustrie, einem Wasserkraftwerk am Nil, einer Eisenbahn als Infrastrukturmotor und mit einer Raffinerie" soll der junge Südsudan auf die Beine kommen, sagt Machar. In vier Jahren, noch vor dem Volksentscheid über die Unabhängigkeit, müsse alles stehen. Machar kennt die Kosten genau: Sein Land brauche dreimal so viel, wie es durch Ölgelder einnehme, um sich ohne Hilfe von außen zu finanzieren. Dreimal, das sei keine Utopie. Doch um die Infrastruktur seines Landes überhaupt erst einmal aufzubauen, sei er auf Hilfe von außen angewiesen.
"Wir hätten doch nie gedacht, dass wir mit diesem Bürgerkrieg alt werden", sagt Machars Berater, Dr. Costello Garang. Dessen Vater war ein Stammesfürst im größten Stamm der Dinka, Vizepräsident Riek Machar, promovierter Elektroingenieur, kommt aus dem zweitgrößten Stamm der Nuer. Machar ist der Macher, Costello Garang der Strippenzieher, zusammen verkörpern sie die Mehrheit des Südsudans.
Dass die Deutschen sich bisher zurückhalten, stimmt Garang, den Deutschlandfreund, traurig: "Die Deutschen reden immer nur, aber man muss auch mal was tun." Auch ein Deal zum Bau einer Eisenbahn platzte, weil keine Zwischenfinanzierung zustande kam. Eine italienische Baufirma dagegen habe soeben den Zuschlag fürs Straßennetz von Juba erhalten. Die Chinesen sprechen von "Afrika, dem Zukunftskontinent". Die Deutschen von "Afrika am Abgrund". Klar, was in Juba besser ankommt.
Die Entwaffnerin: Tabitha Mathiang
Frieden ist komplizierter als Krieg. Keiner kann diesen Satz mehr unterstreichen als Tabitha Mathiang. Die 35-jährige Pastorentochter aus dem Stamm der Nuer arbeitet für eine lokale Behörde mit dem englischen Kürzel SSDDRC, das für "Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration im Südsudan" steht. Tabitha bringt, mal per Schlauchboot, mal zu Fuß ehemalige Kindersoldaten zu ihren Familien zurück. Vergewaltigte Kinder sind dabei, Kinder, die Menschen getötet haben, und einfache Stiefelputzer. Kinder, die keiner zurückwill, oder auch Kinder, die nicht zurückwollen.
Die Kommissarin für Entwaffnung und Zurückführung von Kindersoldaten, als Flüchtlingsbaby in Khartum geboren und aufgewachsen, ist schön wie ein Model und durchsetzungsstark. Sie hat Sozialwissenschaften studiert und im Frauenbüro des Landeskirchenrats Friedensarbeit geleistet. Bewaffnet, aber nicht in Uniform, und mit einem Satellitentelefon in der Tasche, zieht sie, finanziell vom Kinderhilfswerk UNICEF unterstützt, in ihre Einsätze.
Manchmal ist ein Jeep da, der sie und die Kinder weiterbringt, durch Savanne oder Busch, manchmal auch keiner. "Einmal saßen wir mit fünfzig Kindern in einem UNICEF-Boot in den Sümpfen des Sudd bei Malakal fest", erzählt Tabitha, "und plötzlich zeigten Gewehre auf uns. Wir wussten nicht einmal, wer das war. Die Kinder schrieen, es war furchtbar."
Fast 3000 Kindersoldaten, sagt Tabitha, haben sie und ihr Team zurückgeführt. Für sie ist Emanzipation so selbstverständlich wie ihr Survival-Instinkt im Busch. Jetzt beginnt die Demilitarisierung von Erwachsenen. "Es ist nicht leicht, sich von einer Waffe zu trennen, wenn die Zukunft noch nicht sicher scheint", sagt die Pastorentochter.
Der Mann von der UN: David Gressly
Die Stahlbrücke über den reißenden Nil oberhalb Jubas die einzige auf fast tausend Kilometern ist eingeknickt, nicht aufgrund von Granateinschlägen, sondern durch einen zu schweren Lastwagen. Doch sie ist benutzbar. 700 000 Dinka-Rinder, Vertriebene wie ihre menschlichen Besitzer, wechselten kürzlich über die Brücke vom West- ans Ostufer, um von dort in ihre Heimatsümpfe zurückzukehren: "Einen Monat haben wir gebraucht, bis alle Tiere drüben waren", erzählt David Gressly, oberster UN-Beauftragter in Juba. Zur Begrüßung gibt er uns eine Google-Earth-Satellitenaufnahme von Juba: Mit der Hand zeichnet er den Weg der Rindertrecks nach.
Gresslys UN-Apparat mit dem Namen OCHA, das englische Kürzel für "Büro zur Koordination humanitärer Angelegenheiten", gibt Nachhilfe beim Regieren. Dass UN und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Juba unter einem Dach arbeiten, auch das ist neu und fast so, als säßen Vertreter der G-8-Staaten und Globalisierungsgegner am gemeinsamen Schreibtisch. Gressly kümmert sich um Flüchtlinge und Straßen, Minenräumung und Sicherheit und manchmal eben auch um Rinder. Wie funktioniert Frieden? "Durch die Vermittlung von Know-how und die Entwicklung von Strukturen", sagt der 50-jährige Texaner. "Aus Rebellen müssen Beamte werden." Anders als viele Bürgerkriegsländer hat der an Öl, Kupfer, Gold, Uranium, Teak und Tee reiche Südsudan bereits eigene Einnahmen. Eine Milliarde Dollar fließt aus Ölgeldern seit dem Friedensabkommen jährlich. 600 Millionen Dollar haben UN-Agenturen 2006 im Nachkriegssudan zusätzlich investiert. Die Ölgelder allein würden nicht reichen, dem ausgebluteten Land den Sprung in die Neuzeit zu ermöglichen. Kürzlich wurde geschossen in Malakal, in Juba gab es Fälle von Cholera. "Aber entscheidend ist doch nicht, dass es diese Vorfälle gibt", sagt Gressly, "sondern dass wir sie unter Kontrolle bringen."
Der Vordenker: Taban lo Liyong
Mag ja sein, dass die da oben alles gut meinten, aber wie sie es realisieren, lasse doch zu wünschen übrig. Das jedenfalls meint Professor Taban lo Liyong, 70, Dozent für Kunst, Musik und Drama an der gerade wiedereröffneten Universität von Juba. Taban, grauhaarig, aber ungebeugt, ist einer der ersten Kosmopoliten Afrikas: Ende der 70er mischte er als schwarzer Anarcho-Poet die Linken-Treffs der TU Berlin auf; jahrzehntelang lehrte der Experte für afrikanische Literatur in den USA, in Papua-Neuguinea, in Südafrika. "Am Tag, als das Friedensabkommen unterzeichnet wurde, habe ich meine Koffer gepackt." Jetzt sehnt sich ausgerechnet der Exrevoluzzer nach mehr "Law and Order" und sieht in der Regierung "zu viele Rebellen und zu wenige Denker".
Glücklich war der bärtige Professor immerhin, seine Bücher verstaubt, aber unversehrt in der Universität wiederzufinden, die im Bürgerkrieg 1989 geschlossen und nach Khartum umgesiedelt worden war. In Kürze sollen weitere Fakultäten nach Juba zurückverlegt werden. Bis dahin teilt sich Taban, der alte Querdenker, mit seinem muslimischen Counterpart Prof. Mohammed Elamin Ali die beiden Professorenstellen für 130 Studenten.
Neben Tabans Büro ist der Klavierraum, wo Studentinnen mal in Jeans, mal im muslimischen Jilbab-Umhang am einzigen Piano des weitläufigen Campus üben. Seit wir von seinen wilden Jahren in Berlin gesprochen haben, ist Taban in nostalgischer Stimmung und beantwortet Fragen nach der Zukunft des Landes vage mit einem Zitat seiner Mutter, der Polizistengattin und Hebamme in Kajo Keji: "Bei Neugeborenen", habe sie gesagt, "weiß man's nie: Manche flutschen wie von selbst raus, andere muss man mit der Zange holen."
Der Ölbohrer und der Bischof: Marcel Rizea und Paulino Lukudu
Es regnet in Juba. Blitzschnell haben sich die Pisten im Ort, die bei Trockenheit riesige rote Staubfahnen aufwirbeln, in eine Abfolge von Schlammlöchern verwandelt. Heute morgen hat Dr. Costello Garang auf der anderen Nilseite im Öl-Camp der Moldawier mit dem Ingenieur Rizea hart über Rechte und Verträge für den moldawischen Investor verhandelt, der bereits 150 Millionen Euro ausgegeben haben soll. Garang meint: Solche Investoren brauche sein Land, wenn es auf die Beine kommen will, mehr als Entwicklungshilfe.
Die Moldawier haben Probebohrungen gemacht, und natürlich wissen sie, dass die Chinesen und Malaysier nebenan schon kräftig fördern und manche vom Sudan als dem "kleinen Saudi-Arabien" sprechen, doch wie viel Öl genau unter den Nilsümpfen und Wüsten ruht, weiß niemand. Genauso wenig, ob der Frieden hält. Der Streit über die Grenzen zwischen Nord und Süd ist programmiert, denn die Ölfelder liegen alle im Süden. "Es ist ein Risiko", sagt Rizea, "aber in Kasachstan war's auch ein Risiko." Der Ingenieur hat schon mal eine Piste von Bor am Nil ins Ölfeld nach Akir platt gewalzt und zwei Gesundheitsambulanzen für die Stämme der Umgebung aufgebaut. Das war eine Auflage der Regierung des neuen Sudans: "Wenn unsere Leute von dem Öl nicht profitieren, brauchen wir es gar nicht herauszuholen."
Erzbischof Paulino Lukudu Loro erwartet uns bereits an der Tür. Blitzblank ist der Linoleumboden im Bischofssitz, einem einstöckigen Terrassenhaus aus der Kolonialzeit. Ein Ventilator fächelt uns im Empfangszimmer Kühlung zu. Laut Verfassung will der neue Sudan säkular sein: "Das ist in Ordnung", sagt der Vorsitzende der sudanesischen Bischofskonferenz: "Nicht in Ordnung ist jedoch, dass die Araber uns immer noch wie Sklaven behandeln."
Wenn der Sudan sich teilt, würde die Landkarte Afrikas erstmals seit dem Ende der Kolonialzeit neu gezeichnet. Der Bischof wird hier sein. Er war es schließlich, der seit seiner Priesterweihe im italienischen Verona sein ganzes Leben in Juba verbracht, ja hier ausgeharrt hat, als die Stadt praktisch nur noch Brückenkopf der muslimischen Zentralregierung war. "Unterstützen Sie uns", sagt der Bischof: "Wir hatten nie eine Chance auf Selbstbestimmung. Jetzt haben wir zum ersten Mal in unserer Geschichte eine."
Als wir rauskommen, hat der Regen aufgehört. Darak, unser Fahrer, sagt, gerade wenn es nicht danach aussehe, müsse man besonders vorsichtig fahren im neuen Sudan. Ü
Einheit oder Teilung? Die Sudanesen sollen wählen
Rund 35 Millionen Menschen leben im Sudan, Afrikas flächengrößtem Staat, der von Ägypten bis fast zum Äquator reicht. Fast ein halbes Jahrhundert währte ein bitterer Nord-Süd-Konflikt, bei dem die zumeist christlich orientierten Schwarzen des Südens gegen die arabische Vorherrschaft der Zentralregierung ankämpften. Zwei Millionen Tote hat der Freiheitskampf gefordert, vier Millionen Menschen waren auf der Flucht. Seit zwei Jahren schweigen die Waffen anders als in Darfur. Der Südsudan mit rund zehn Millionen Einwohnern erhält die Hälfte der Öleinnahmen und eine autonome Regierung. Das Friedensabkommen von 2005 sieht freie Wahlen für den gesamten Sudan in zwei Jahren und eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit des Südens in vier Jahren vor. Deutsche UN-Soldaten sind in Malakal stationiert, um den Frieden zu überwachen.