Filmtipp der Woche
Ein echter Wes Anderson
Wes Anderson macht Wes-Anderson-Sachen: Sein neuer Film „Der phönizische Meisterstreich“ dreht sich um Benicio del Toro, einen zwielichtigen Geschäftsmann, der Gewissensbisse bekommt
Filmszene aus "Der Phönizische Meisterstreich"
Filmszene aus "Der Phönizische Meisterstreich"
Courtesy of TPS Productions / Focus Features © 2025
29.05.2025
3Min

Symmetrische Bildanordnungen, Pastellfarben, Retro-Charme, skurrile Charaktere: Kaum ein Filmstil war in den letzten Jahren so klar erkennbar wie der von Wes Anderson. Das führte vor zwei Jahren sogar zu einem Social-Media-Hype, bei dem zahlreiche teils selbst gedrehte, teils mit KI erstellte Videos auf Tiktok oder Instagram den markanten Look des Regisseurs imitierten. Seine charakteristische Handschrift hat Wes Anderson auch für seinen neuen Film nicht geändert. Gleichwohl zeigt er, dass er in der Lage ist, seinen Filmkosmos zu variieren.

Im Mittelpunkt von "Der phönizische Meisterstreich" steht der zwielichtige Unternehmer Zsa-zsa Korda (Benicio del Toro), der es um 1950 zu großem Vermögen gebracht, sich dabei aber auch so einige Feinde gemacht hat. Die zuletzt gehäuften Attacken auf sein Leben sind Anlass für ihn, Vorkehrungen für sein mögliches Ableben zu treffen und seine Tochter Liesel (Mia ­Threapleton) zur Alleinerbin zu machen. Die ist zunächst irritiert, hatte sie doch seit Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater und ist eigentlich gerade dabei, eine Nonne zu werden. Schließlich ringt sie sich dazu durch, ihren Vater bei der Durchführung seines großen Lebenswerks zu begleiten, der Errichtung von "Korda-Land", einem riesigen Infrastrukturprojekt im Nahen Osten. Nun gilt es, unterschiedlichste Investoren zu gewinnen und zugleich die Attacken von Terroristen und feindlich eingestellten Regierungen abzuwehren.

Seinen auf symmetrischen Bildkompositionen beruhenden Stil hat Wes Anderson hier noch einmal auf die Spitze getrieben. Fast jede der komplett im Filmstudio Babelsberg entstandenen Szenen wirkt wie ein bewegliches Gemälde oder ein Fotoabzug. Es entsteht der Eindruck eines visuellen Kunstwerks, bei dem Anderson auch immer wieder Szenen und Settings seiner bisherigen Filme zitiert. Anders als bei seinen letzten Kinofilmen fügen sich die zahlreichen Verweise auf Film- und Kunstwelt hier allerdings in einen klaren Handlungsstrang ein.

Mit Zsa-zsa und Liesel sowie dem als Assistenten mitreisenden Björn (Michael Cera) behält der Film ein klares Zentrum. Während Björn etwas unbeholfen versucht, mit Liesel anzubandeln, entwickelt sich zwischen Zsa-zsa und Liesel langsam wieder eine Vater-Tochter-Beziehung, die allerdings unter anderem von der im Raum stehenden Frage überschattet wird, wer seinerzeit Liesels Mutter umgebracht hat – Zsa-zsa ist einer der Verdächtigen.

Man kann den Film als moralische Fabel lesen oder einfach Spaß haben

Fast schon plakativ formuliert der, immer wieder mit Verfremdungseffekten arbeitende, Film die Frage nach moralischem Handeln im kapitalistischen Geschäftsgebaren als Grundmotiv. Die Figuren leben dabei von der satirischen Überzeichnung. Auf der einen Seite Zsa-zsa, der auf einmal Gewissensbisse wegen seines Handelns bekommt, für den Handgranaten aber vorerst weiterhin zum Reiseinventar gehören. Ihm gegenübergestellt ist Liesel als vermeintliche moralische Instanz, die aber Nonnen untypisch auch sofort ein Messer zur Verteidigung zur Hand hat.

Man kann "Der phönizische Meisterstreich" also als moralische Fabel lesen und das Handeln der Figuren entsprechend analysieren. Man kann aber auch einfach seinen Spaß an den skurrilen Charakteren haben, um die herum Anderson seinen typischen verspielten Humor aufbaut, zahlreiche Running Gags etabliert und ulkige Szenen mit dem wieder einmal bis in die Nebenrollen starbesetzten Ensemble inszeniert. Einmal mehr ist Anderson zudem ein Meister darin, Komik durch den Zusammenschnitt von Bildern zu erzeugen.

In die absurden Szenerien mischt sich aber auch ein sehr bissiger, makabrer Humor und eine für Anderson ungewohnte, stilisierte Brutalität, der gerade Benicio del Toro das ein oder andere Mal zum Opfer fällt. Es lässt sich darüber streiten, ob dieser etwas düstere Stil eine Reaktion auf die eher pessimistisch stimmende Weltlage ist, ebenso, ob der Film hierzu tatsächlich einen größeren Debattenbeitrag liefert; Bezüge zur heutigen Zeit lassen sich durchaus herstellen. Rein vom filmischen Werk her gesehen stehen diese neuen Töne dem Anderson-Kosmos aber auf jeden Fall ganz gut zu Gesicht und machen "Der phönizische Meisterstreich" zu einem kurzweiligen Vergnügen.

englisch © Universal Pictures

USA/Deutschland 2025. Regie: Wes Anderson. Buch: Wes Anderson, Roman Coppola. Mit: Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Tom Hanks, Benedict Cumberbatch. Länge: 101 Min. FSK: ab 12. FBW: ohne Angabe.

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