Frauen, ihrer Zeit voraus
Bewusst irreführend, klug, bestechend klar: Rainer Moritz schwärmt von zwei Romanen fortschrittlicher Frauen
Gunter Glücklich
29.05.2016

Wenn berühmte Autorinnen und Autoren runde Geburts- oder Todestage haben, lassen es sich die Verlage selten nehmen, mit Neuausgaben oder Neuüber­setzungen aufzuwarten. So auch im Fall der 1916 gestorbenen Österreicherin Marie von Ebner-Eschenbach, deren reichhaltiges Erzählwerk ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Zu Unrecht, wie der von Sigrid Löffler mit einem Nachwort versehene Eheroman „Unsühnbar“ (1889) eindrucksvoll belegt. Fünf Jahre vor Fontanes „Effi Briest“ erzählt die Ebner vom Fehltritt der Komtesse Maria Wolfsberg, die sich auf eine folgenreiche Affäre mit ihrer Jugendliebe, dem Grafen Tessin, einlässt. Wie sich Maria im Gespinst von Treue, Lüge und Wahrhaftigkeit verheddert, das hält dieser gesellschaftskritische Roman bestechend klar fest.

 

Marie von Ebner-Eschenbach: Unsühnbar. Manesse. 352 Seiten, 22,95 Euro.

 

 

Der Engländerin Charlotte Brontë (1816–1855) gelang 1847 mit „Jane Eyre“ der Durchbruch als Schriftstellerin. Melanie Walz hat diesen Liebes- und Bildungs­roman einer rebellischen Gouvernante, der den bewusst irreführenden Untertitel „Eine Autobiografie“ trägt, neu übersetzt und mit einem klugen Nachwort versehen. Erstaunlich, welche Modernität Jane Eyres Geschichte ausstrahlt und wie es Brontë glückt, aus ihrer Hauptfigur keine Salonheldin, sondern eine reflektierte Frau zu machen, die für ihre Sache – und die ihrer Geschlechtsgenossinnen – zu kämpfen versteht.

 

Charlotte Brontë: Jane Eyre. Übersetzt von Melanie Walz. Insel. 652 Seiten, 29,95 Euro.

 

 

 

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Literatur, Gesellschaftskritik und Alltag sind drei, die sich nicht vertragen.
Aber das Literaturhaus ist an sich eine gute Adresse.
Moral basiert auf Vorurteilen und Diskriminierung, und hat zur Basis eine spießige Lebensführung, die zu einem Diktat an Verhaltensweisen und Regeln führt. Im konkreten Fall ist das eine Anleitung zur Unterdrückung, Anpassung , bzw. zum Gegenteil. Insofern unterscheide ich hochwertige Literatur von der populistischen Literatur , die hier unters Volk gebracht wird. Es funktioniert nicht wie mit Flugblättern, die man des Nachts unters interessierte Volk mischte. Das war gestern. Heute ist das Interesse lediglich aufs Überleben konzentriert, da zählt die Qualität nicht.
Statt hier Klasiker unter Wert zu verkaufen, verkaufe man doch lieber Ratgeber, wie man glücklich werden kann, u.ä. , die es hier zu Hauf im Shop gibt.
Im Enst , warum werden hier nicht ganz offen die Hits, die es im Shop gibt, angepriesen ?
Diese Doppelbödigkeit widert mich an!
Sie macht die Lüge gesellschaftsfähig, obwohl man um die Wahrheit bemüht ist. Und die Moral von der Geschicht `?
Frauen, die als " ihrer Zeit voraus" gesehen werden, haben ihren Kampf, unter Umständen, verloren.
Für uns Heutige geht der Kampf weiter. Jeder Gymnasiast kenn diese langweilige Literatur.