Auf dem Dorf
Gunter Glücklich
25.10.2017

Lize Spit: Und es schmilzt. Vlg. S. Fischer, 507 Seiten, 22 Euro
Von Berlin-Mitte oder Manhattan lässt es sich leicht erzählen. Doch manchmal ist es reizvoller, die tiefe Provinz zu erkunden, um etwas über die Menschen zu erfahren. So wie es die Belgierin Lize Spit in ihrem fulminanten Debüt „Und es schmilzt“ tut. ­Heldin Eva reist 2015 in ihr flandrisches Heimatdorf, um an einem Erinnerungsfest für einen toten Jugendfreund teilzunehmen. Die Fahrt in die Vergangenheit führt schnell dazu, sich an Glück und Elend der eigenen Pubertät zu erinnern – an die zwangsneurotische Schwester, an die ständig alkoholisierten Eltern, an die brutalen Erkundungen der erwachen­den Sexualität. Das ist schonungslos eingefangen, voller Derbheiten und voller sehr komischer Episoden.

Mariana Leky: Was man von hier aus sehen kann. Vlg. DuMont, 320 Seiten, 20 Euro
Sanfter geht es in Mariana Lekys liebevollem Roman „Was man von hier aus ­sehen kann“ zu, der – wir sind im Westerwald – die Ich-Erzählerin Luise ein Vierteljahrhundert begleitet. Umgeben ist diese von skurrilen Figuren wie Großmutter Selma, die mitunter von Okapis träumt, was ­Unheilvolles für die Dorf­gemeinschaft bedeutet. Und da gibt es die aber­gläubische Elsbeth, die schlecht gelaunte Marlies, den freundlichen Optiker, der sich nicht traut, Selma seine Liebe zu gestehen, und ein buddhistischer Mönch, in den ­sich Luise verliebt, fehlt auch nicht. Leky gelingt so ein seltenes Kunststück: lakonisch, humorvoll und kitschfrei von großen Gefühlen, von der Sehnsucht nach Zugehörigkeit zu erzählen.
Produktinfo

Lize Spit: Und es schmilzt. Übers. von Helga van Beuningen. 
 S. Fischer, 507 Seiten, 
 22 Euro

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