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Autorinnen und Autoren aus den USA verstehen es oft großartig, spannende, gefühlsgeladene Plots zu entwickeln und aus ihnen intensive Familiengeschichten zu machen. Pulitzer-Preisträgerin Anne Tyler ist so eine Meisterin. Willa Drake heißt ihre neue Heldin, eine auf den ersten Blick durchschnittliche Frau, deren Leben über einen Zeitraum von fünfzig Jahren, von 1967 bis 2017, vor den Augen der Leser abläuft. Als ihr Mann bei einem Unfall stirbt und ihre Söhne sich entziehen, sucht sie ihr Glück in einer neuen Ehe – bis der Zufall sie weit weg nach Baltimore führt, wo sie bei "fremden Leuten" endlich gebraucht wird und neues Selbstbewusstsein gewinnt. All das ist feinfühlig erzählt, ganz so, als wisse diese lebenserfahrene Anne Tyler genau, was es heißt, Familie zu haben.
Ihre Kollegin Celeste Ng, noch keine 40 Jahre alt, geht andere Wege. Ihr in Ohio spielender Roman zeigt die Richardsons, die mit ihren vier Kindern auf festem Boden zu stehen scheinen. Doch dann stellen Mia, eine Künstlerin, und ihre Tochter in der Vorortsiedlung alles auf den Kopf. Ausgehend von einer Brandstiftung erzählt Ng im Rückblick und verbindet kunstvoll mehrere intrigenreiche, emotional aufwühlende Geschichten, die darum kreisen, was den Zusammenhalt von Familien ausmacht – und um die Fragen "Was macht jemanden zu einer Mutter? War es allein die Biologie, oder war es Liebe?"
Rainer Moritz
Anne Tyler: Launen der Zeit. Übers. Michaela Grabinger. Kein & Aber. 303 Seiten, 22 Euro.
Celeste Ng: Kleine Feuer überall. Übers. Brigitte Jakobeit. dtv. 384 Seiten, 22 Euro