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Drei Jahre vor seinem Tod, 1877, schloss Gustave Flaubert sein letztes Buch ab. Die bewusst lakonisch betitelten „Drei Geschichten“ gehören zu den stilistischen Klassikern der französischen Literatur. Sie zeigen einen Autor auf der Höhe seiner Kunst, und sie zeigen ihn, wie er sich an drei ganz unterschiedlichen Stoffen erprobt: an einer mittelalterlichen Heiligenlegende, an der biblischen Geschichte von Johannes dem Täufer und, in der berühmten Auftakterzählung „Ein schlichtes Herz“, am Schicksal einer Bediensteten im frühen 19. Jahrhundert. Die Empathie, die er dieser Frau, Félicité, entgegenbringt, ist beispielhaft dafür, wie Literatur die Weltsicht und unser Empfinden erweitert.
Rétif de la Bretonne (1734–1806) ist hierzulande ein kaum bekannter Autor. Das muss sich ändern, denn allein seine umfangreiche Autobiografie „Monsieur Nicolas“, die Reinhard Kaiser nun in einer Auswahl vorlegt, erweist sich als bahnbrechendes Werk, das in größter Offenheit die Gedanken- und Empfindungswelt eines Mannes darlegt. Schonungslos entblößt sich der Erotomane Rétif, erzählt von seiner beschwerlichen Jugend und gibt seltene Einblicke in die unteren Schichten der französischen Gesellschaft. Kein Wunder, dass Schiller, Goethe und Wilhelm von Humboldt auf diesen manisch Schreibenden aufmerksam wurden.