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Rund fünf Jahre umfasst Erpenbecks Roman. 1986 setzt er ein, als sich die 19-jährige Katharina in Ostberlin in den 34 Jahre älteren Schriftsteller Hans verliebt. Dass dieser verheiratet ist und Kinder hat, stellt für diese scheinbar verrückte Liebe kein Hindernis dar. Souverän schildert Erpenbeck eine intensive Beziehung, die sich anfangs durch nichts und niemanden aufhalten lässt. Erst allmählich verändert sich das Bild: Hans erweist sich als Tyrann, und Zersetzung und Zerstörung nisten sich in dieser Liebe ein. Kairos, das ist die Gottheit des glücklichen Augenblicks. Ob Katharina und Hans ein solcher ereilt hat, ist eines der Themen des Romans. Und Erpenbecks Kunst besteht darin, diese Liebesgeschichte mit dem Ende der DDR zu verschränken. Als die Wiedervereinigung kommt, stellt sich die Kairos-Frage erneut – auf ganz andere Weise.
Auch Julia Franck, bekannt geworden durch "Die Mittagsfrau", präsentiert in ihrem bewusst nicht "Roman" titulierten Buch eine Liebe, deren Akteure "Welten auseinander" scheinen. Da ist der Student, der aus gesicherten Westverhältnissen stammt, und da ist Julia, die 1970 geborene junge Frau, die als Kind in prekären Verhältnissen erst im Osten, dann bei Rendsburg aufwuchs. Ein offenkundig autobiografischer Bericht, der in glasklaren Bildern davon erzählt, wie Julia mit ihrer chaotischen Mutter in den Westen kommt, als Dreizehnjährige dem familiären "Tollhaus" entflieht und zu Freunden nach Westberlin zieht – wo sie später auf jenen Studenten trifft . . .
Jenny Erpenbeck: Kairos. Penguin. 382 Seiten, 22 Euro.