Projekt - Bita, wir müssen reden
Projekt - Bita, wir müssen reden
Astrid Biesemeier
Bita, wir müssen reden!
Ein Deutschkurs, offen für alle und kostenlos, vernetzt Frankfurter und Flüchtlinge.
Portrait Anne Buhrfeind, chrismon stellvertretende ChefredakteurinLena Uphoff
30.01.2019

Bita ist fix mit dem Bleistift, sie füllt die Leerstellen im Buch schnell aus, und meistens konjugiert sie richtig, findet die passende Präposition. Zaman tut sich da viel schwerer. Dafür kann er reden wie ein Wasserfall, er erzählt von seinem Sohn, seinem Praktikum bei einem Bäcker, und dass der gesagt hat: Komm wieder, Zaman, wenn du ein Deutsch-Zertifikat hast.

Dafür muss Zaman aber schreiben können. Und Bita muss deutsch sprechen; es hilft ihr nicht mehr, mit ­Büchern und Onlinekursen zu lernen, sie muss die Sprache benutzen. Nur dann schafft sie die B1-Prüfung, von der sie hofft, dass sie danach einen Job, vielleicht als Kosmetikerin, und eine Wohnung für sich und ihren Sohn bekommt. Zaman aus Afghanistan und Bita aus dem Iran fahren viermal die Woche in eine Frankfurter Schule, um für anderthalb Abendstunden den richtigen Gebrauch von Modalverben zu üben, Wörter wie "Geldautomat" und "Feierabend" zu verstehen und ganze Sätze zu schreiben.

Es geht nicht nur um die Sprache

"Speakout" heißt das Deutschkurs-Projekt, das junge Frankfurterinnen und Frankfurter 2015 gegründet ­haben – als klar wurde, dass nicht alle Geflüchteten Plätze in den offiziellen und kostenlosen Deutschkursen finden würden. Und dass ein Integrationskurs auch nicht reicht, um Deutsch zu lernen. Schließlich: dass es nicht nur um die Sprache, sondern um Kontakte geht.

Die Lehrer bei Speakout sind nicht durchweg päda­gogische Profis. Neben ausgebildeten Lehrern engagieren sich ­Stewardessen, Studenten, Werbefachleute, Ärztinnen, ­Juristen, Mitarbeiterinnen der Frankfurter Buchmesse – und zwei chrismon-Journalistinnen. Die Lehrkräfte, mehr als 30 für insgesamt ebenso viele Schüler, wechseln täglich, und das funktioniert, erklärt Kristin Werner, Mitgründerin des Projekts und im Hauptberuf Marketingmanagerin: "Wir haben ein gedrucktes Lehrbuch und ein Online­klassenbuch, damit wir den Unterricht proto­kollieren können. Wir verabreden uns über E-Mail und soziale Medien, so üben auch die Schüler den Dialog."

Inzwischen kommen überwiegend afghanische Teilnehmer. Viele haben noch nie eine Schule besucht. Manche sind schon 40 oder 50 Jahre alt und lernen langsam. Die meisten haben kaum Aussichten, in Deutschland bleiben zu können, keine Arbeit, leben noch immer in Unterkünften ohne Privatsphäre, und die anderthalb Stunden am Abend sind der einzige Termin des Tages. Wer regelmäßig teilnimmt, bekommt ein Monatsticket für den Nahverkehr. Und wer den sechsmonatigen Kurs erfolgreich absolviert hat, erhält die Finanzierung für ­einen weiterführenden, professionellen Sprachkurs, in­klusive Begleitung zum Einstufungstest. Bita ist schon dabei. Sie schafft das.

Spendeninfo

Offene und kostenlose Deutschkurse wie Speakout in Frankfurt gibt es auch in anderen Städten. Zum Beispiel Sprache im Alltag – Sprachbrücke-Hamburg oder das Berliner Netzwerk Deutschkurse für alle!. Zur Unterstützung kann man sich ehrenamtlich engagieren oder auch Geld spenden.

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