Michael Ondruch
Religion für Einsteiger: Wissen, nicht glauben
Matthias Pabst
Privat
02.05.2014

Worin unterscheiden sich Christen und Anthroposophen? Zum Beispiel darin, dass die christliche Theologie kein geschlossenes System darstellt, sagt Hennig Kiene, Pastor im EKD-Kirchenamt. Außerdem koennen Christen in eine persoenliche Beziehung zu Gott treten.

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Ich finde die aufgeworfenen Fragen interessant, um ins Gespräch zu kommen, in der Verkürzung (in der Überschrift heißt es gar "Ein Christ kann kein Anthroposoph sein") halte ich sie dafür aber wenig geeignet. Persönlich kann ich sagen, dass mir die Anthroposophie in meiner Jugend entscheidend geholfen hat in einer Glaubenskrise meinen christlichen Glauben festigen zu können und reicher zu machen. Als naturwissenschaftlich geprägter Mensch war mir z.B. die Auferstehung allenfalls noch als Symbol zugänglich. Mit Hilfe der Anthroposophie verstehe ich sie besser und wurden mir Erfahrungen zugänglich, die meinem Glauben Kraft verliehen haben. In der Verkürzung des Artikels und des Hörtextes entsteht meines Erachtens ein nicht der Wirklichkeit entsprechendes Bild. So könnte man gewiss auch viele "evangelische Glaubensinhalte" entwerten. Und tatsächlich hätte ich größte Schwierigkeiten z.B. die Prädestinationslehre mancher protestantischer Kirchen noch mit meinem Verständnis der Lehre Christi in Übereinstimmung zu bringen. Ich scheue mich aber doch davor, zu sagen, dass die Anhänger solcher Überzeugungen "keine Christen" sein können. Immerhin halte ich es für möglich, dass ich sie noch nicht ganz verstanden habe.

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Leser Sommer hat in allen Punkten Recht. Ich möchte noch anregen, darüber nachzudenken, ob die radikale Formulierung nicht dem ecten Christen unangemessen ist. Jesus predigte Versöhnung, der "Chrismon-Pfarrer" will Keile zwischen Menschen treiben. Wir haben, als gute Christen, 4 Kinder durch die Walldorfschule gechleust. Nicht alles ist Gold, was dort glänzt - aber ist es das in der evangelischen Kirche? - Das Ergebnis zählt: Der deutsche Staat ist um 4 bestens ausgebildete und nützliche Bürger reicher und zwar nicht "trotz" sondern wegen antroposophisch motivierter Lehrer.

Sehr geehrter Herr Kiene, seit ca. dreißig Jahren bin ich Waldorflehrer und habe in dieser Zeit mindestens zwanzig Mal beim alljährlich für unsere Schüler/innen inszenierten Oberuferer Christgeburtspiel mitgespielt. An unserer Schule waren eine ganze Reihe von Kindern evangelischer Pastoren, deren Eltern mir immer wieder sagten, an keiner anderen ihnen bekannten Schule würden die christlichen Jahresfeste mit der gleichen Selbvstverständlichkeit und Schönheit begangen wie bei uns.
Ich habe während meiner Lehrertätigkeit mehrmals erlebt, dass einzelne Pastoren regelrechte Kampagnen gegen die Waldorfschule gefahren haben, weil sie glaubten, man könne nicht zugleich Anthroposoph und Christ sein. Dazu unten noch ein persönliches Wort. Für Eltern ist zunächst einmal relevant, dass die Anthroposophie zwar eine wichtige Grundlage der Waldorfpädagogik ist, dass sie aber nicht unterrichtet wird, weil Waldorfschulen es ablehnen, Kinder auf eine bestimmte Weltanschauung hin zu erziehen. Die Anthroposophie wendet sich an mündige Erwachsene. Sie ist ein Angebot an die Lehrer/innen, ihre pädagogische und menschliche Wahrnehmungsfähigkeiten bewusst zu schulen. Darüber kann man streiten, aber:
Wirklich befremdlich finde ich, wenn mir ein Pastor abspricht, Christ zu sein, weil ich einen anderen Zugang zum Christentum pfelge als er selbst. Seit meinem zwölften Lebensjahr habe ich ein sehr persönliches und unmittelbares Verhältnis zum Christus gesucht. Die Anthroposophie hat mir als Erwachsenem geholfen, meinen Glauben zu vertiefen - sie hat sich also keineswegs an dessen Stelle gesetzt, sondern mir vielmehr geholfen, ihn aus einer vorübergehend ziemlich intellektuell-abstrakten auf eine sehr unmittelbare Erfahrungsebene zu heben.
Im Unterschied zu Ihren Ausführungen handelt es sich bei der Anthroposphie gerade nicht um ein geschlossenes System, sondern um eine Methode zur Vertiefung und Verlebendigung des Denkens, Fühlens und Wollens.
Ein geschlossenes System scheint mir eher dort zu existieren, wo man sich auf eine einzige Möglichkeit zur Erkenntnisgewinnung beruft, wie Sie das in Ihrem Beitrag tun.
Leser/innen, die wissen wollen, wie es an einer Waldorfschule im täglichen Leben zugeht, hilft vielleicht mein kürzlich erschienenes Buch "Jedes Kind ein Könner":
http://www.geistesleben.de/artikel/2014/04/25/jedes-kind-ein-koenner

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Die anthroposophische Gesellschaft hat genauso eine Daseinsberechtigung, wie die evangelische Kirche. Und die anthroposophische Gesellschaft darf sich als "christlich" bezeichnen. Rudolf Steiner hatte teilweise recht, teilweise unrecht. Es ist richtig, das Beten durch Geistiges Heilen zu ersetzen.

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Viele Jahre schon lese ich - oft mit grosser Freude - das Chrismon Magazin. Da begegnen mir Menschen mit bisweien sehr anrührender Geschichte und das ganze Blatt atmet Menschlichkeit und Toleranz. Ein solcher Satz wie der oben zitierte kann da nur wie ein Schlag ins Gesicht sein. Da sind sie wieder, die Sektenbeauftagten , die die Reine Lehre schützen müssen. Man könnte doch auch einfach mal froh sein, dass es auch heute noch Menschen gibt, die sich mit anderen Zugangswegen zum Christentum befassen..Das stände einem Protestanten gut zu Gesicht. Ich bin Lehrerin an einer Waldorfschule, an der es evang
elische, katholische, irgendwie christliche, muslimische , naturgläubige ... Leute gibt. Jeder glaubt mit seinem ganz individuellen Herzen und sollte dazu auch die Freiheit haben. Davor muss heute wohl niemand mehr gewarnt werden.

Wer kann das beurteilen? - Derjenige, der weniger über die geistigen Realitäten weiß, oder der, der mehr weiß? - Wenn man weiß wie sehr die Meinungen allein im evangelischen Lager über die fundamentalsten Fragen auseinandergehen, wird kaum erwarten, nun in dieser Beziehung eine zuverlässige Antwort zu erhalten. Und tatsächlich. Der Audiobeitrag ist von der Seichtigkeit, die man schon gewohnt ist.
Evangelisch ist ja heute fast ein Synonym für Beliebigkeit. Wer sich wirklich um Wahrheit bemüht, wird die Lehren Rudolf Steiners der Realität entsprechend, finden. Wenn deshalb die Evangelische Kirche meint, dieser widersprechen zu müssen, kann das wohl nur an ihr liegen.
Christ ist, wer sich vom EWIGEN bestimmen lässt, und sich deshalb nicht länger mit dem physischen Körper identifiziert. Die Bibel nennt das "im Geist wandeln". So wird alles das, was aus der falschen Identifikation entstanden ist - die einzelnen Sünden, Fehlurteile - überwunden, bis der "neue Mensch" in Herrlichkeit erscheint.
Und da zeigt sich, dass diese Reifung des Menschen nicht in einem Erdenleben abgeschlossen ist, sondern mehrerer bedarf. Zum Glück begreifen das auch immer mehr Christen des evangelischen Bekenntnisses.

Ziel des christlichen Glaubens ist es nämlich nicht, in den Himmel zu kommen, sondern, dass der Himmel auf die Erde kommt: Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!

Nicht der physische Tod erlöst uns, wie fälschlich in den Kirchen gelehrt, sondern allein wie Angelus Silesius sagte, die Gottgeburt in uns. Der Heiligung werden wir Heilige. Nur durch einen neuen Menschen kann das Himmelreich entstehen und nicht durch äusserliche Veränderungen.

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Wer ist die Zielgruppe für diesen Artikel??

Ich war 30 Jahre Realschullehrer in Baden-Württemberg und habe in dieser Zeit viele hundert Eltern kennen gelernt, auch solche, die ihre Kinder von der Waldorfschule genommen haben und zu uns auf die Realschule schickten. Von den vielen Eltern sind vielleicht einige christlich-pietistisch-fundamentalistische Eltern, die ihre Kinder auch nicht auf Klassenparties oder Schullandheimaufenthalte lassen wollten, empfänglich für diesen Artikel. Für 99% der Eltern ist der Artikel nicht relevant, für solche, die die Waldorfschule kennen, ist er einfach nur oberflächlich, zeugt von Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse an Waldorfschulen und allgemein von enger Dogmatik. „Setzen, 5. ;-) “

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Den Beitrag „Was glaubt man in der Waldorfschule?“ in der Mai-Ausgabe von „Chrismon“ haben Sie, Herr Kiene, im Interview auf chrismon.de noch einmal dahingehend zugespitzt, dass ein Christ kein Anthroposoph sein könne. Das veranlasst mich nun doch, Ihnen eine gemeinsame Antwort zu schreiben. Seit ca. dreißig Jahren bin ich Waldorflehrer und habe in dieser Zeit mindestens zwanzig Mal beim alljährlich für unsere Schüler/innen inszenierten Oberuferer Christgeburtsspiel mitgespielt. An unserer Schule waren eine ganze Reihe von Kindern evangelischer Pastoren, deren Eltern mir immer wieder sagten, an keiner anderen ihnen bekannten Schule würden die christlichen Jahresfeste mit der gleichen Selbstverständlichkeit und Schönheit begangen wie bei uns.
Während meiner Lehrertätigkeit musste ich mehrmals erleben, dass einzelne Pastoren regelrechte Kampagnen gegen die Waldorfschule gefahren haben, weil sie meinten, Eltern darüber aufklären zu müssen, dass man nicht zugleich Anthroposoph und Christ sein könne und die Waldorfschule daher für Christen ungeeignet sei. Dazu unten mehr. Für Eltern ist zunächst einmal relevant, dass die Anthroposophie zwar eine wichtige Grundlage der Waldorfpädagogik ist, dass sie aber nicht unterrichtet wird, weil Waldorfschulen es grundsätzlich ablehnen, Kinder auf eine bestimmte Weltanschauung hin zu erziehen. Die Anthroposophie wendet sich an mündige Erwachsene. Sie ist ein Angebot an die Lehrer/innen, ihre pädagogischen und menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten bewusst zu schulen. Darüber kann man streiten, aber:

Wirklich befremdlich finde ich, wenn mir ein Pastor abspricht, Christ zu sein, weil ich einen anderen Zugang zum Christentum pflege als er selbst. Begründet wird das u.a. mit der Idee der Reinkarnation, die angeblich im Widerspruch zum Christentum und zu der christlichen Idee der Gnade steht, weil sie dem einzelnen Menschen eine Verantwortung für seine Handlungen zuspricht, die er nicht einfach ablegen kann. Das wäre ein sehr interessanter Ansatzpunkt, um über Freiheit, Glaube, Gnade und Individualität nachzudenken, meinetwegen auch zu streiten, aber ganz sicher lässt sich mit der Idee der Reinkarnation niemandem sein persönliches Verhältnis zum Christus absprechen, wie Herr Kiene das in seinem Radiobeitrag tut. Man findet diese Idee längst nicht nur im Orient, sondern auch bei zahlreichen mitteleuropäischen Denkern, die von Lessing („Die Erziehung des Menschengeschlechts“) über Schopenhauer bis zu Goethe reichen. Entgegen Ihren Ausführungen handelt es sich bei der Anthroposophie keineswegs um ein geschlossenes System, sondern um eine ergebnisoffene und jederzeit transparente Methode zur Vertiefung und Verlebendigung des Denkens, Fühlens und Wollens. Deshalb hat auch Rudolf Steiner niemals für sich in Anspruch genommen, über ein exklusives Wissen zu verfügen, sondern genau beschrieben, wie er zu seinen Erkenntnissen gelangt ist - und diese der gründlichen Prüfung anempfohlen. Die Anthroposophie ist keine Religion und setzt sich daher auch nicht an die Stelle des Glaubens, wie Sie das in Ihrem Podcast-Beitrag unterstellen. Sie kann aber sehr wohl dazu beitragen, das religiöse Empfinden zu vertiefen. Ein geschlossenes System scheint mir eher dort zu existieren, wo man sich auf eine einzige Möglichkeit zur Erkenntnisgewinnung beruft, wie Sie das in Ihrem Beitrag tun.

Henning Kullak-Ublick, Vorstand des Verbands der Freien Waldorfschulen, Stuttgart

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Als Konfession könnte man die Anthroposophie vielleicht bezeichnen (wenn sie nicht diese dem Christentum absolut widersprechenden Dogmen vertreten würde), aber gleichzeitig Christenmensch und Anthroposoph/in sein, ist in sich nicht vereinbar.
Ich bin ebenfalls Lehrer (an einer staatlichen Realschule) und habe meine persönlichen Erfahrungen mit Anthroposophen gemacht.

Dahingehend möchte ich mitteilen, daß viele Menschen sich als Christen bezeichnen, die es eben im Kern ihrer esoterischen Menschenlehre nicht sind. Waldorf ist und bleibt ein faschistoides und sektiererisches Heile-Welt-Dogma.
Bezeichnend sind u.a. die abgesprochenen Aktionen gegenüber Aussteigern und diese unfassbare Verblendung, die bitteschön von Kritikern nicht angekratzt werden will.

Jesus Christus hat sich meiner Auffassung nach gegen eben jene Dogmen und Totalitarismen gewendet, die für Anthroposophen alltäglich angewandte "Menschenlehre" darstellen.