Eigentlich ist die Lutherkirche zu Karlsruhe schön: vielleicht etwas dunkel, dafür sind die Gewölberippen mit gold-grün-gelben Jugendstilornamenten verziert. Ein imposantes Steinrelief des auferstandenen Christus thront über Altar und Kanzel. Wenn nur das knallblaue Stoffbanner der badischen Landeskirche vorne links nicht von der Orgelempore herabhinge! Darauf prangen ein grüner Gockel und der Schriftzug "Kirchengemeinde mit umweltgerechtem Handeln".

Der Kirchgänger ist irritiert, wie lehrten doch die Reformatoren? Nicht sein Handeln macht den Menschen gerecht, sondern Gott allein! Aber vielleicht ist der Slogan auf dem Banner ja auch anders gemeint. Nur wie?

"Willkommen zu diesem besonderen Gottesdienst", sagt Pfarrerin Ulrike K., "jeder Gottesdienst ist besonders, aber dieser ist besonders besonders." Leider soll sie recht behalten. Nicht wegen der fehlerhaften Orgelbegleitung, die der Gemeinde zuweilen konzentriertes Beharren auf der vorgesehenen Melodie abverlangt.

Auch nicht, weil man ein "Du" in den Gebeten der Ehrenamtlichen vermisst: "Gott, die Kirchen sind leer, die Kassen auch", sagt ein Presbyter. Es tut wohl, als die Pastorin ergänzt: "Gott, du bist mitten unter uns." Auch nicht, weil die Pastorin die Gemeinde bittet, in der Stille den Satz zu vervollständigen: "Ich glaube, dass Gemeinde..." - ohne diese Anregung auch nur irgendwie fortzuführen. "Danke, dass du es uns geschenkt hast, Gemeinde zu sein", fasst die Pastorin zusammen, das war's.

Nein, in diesem Gottesdienst will fast nichts gelingen.

Pastorin K. ruft André W.-M. von der landeskirchlichen Geschäftsstelle "Grüner Gockel" auf einen der beiden Holzstühle nach vorne. "Zum Talk", wie sie sagt. Denn die Luthergemeinde will ihre Gebäude von ihm mit dem Umweltsiegel zertifizieren lassen. "Was sind Sie im Ernst?", fragt K. den Umweltfachmann, und: "Wie wird man Grüner Gockel?" Der Gefragte gibt pflichtbewusst Auskunft. K.: "Was ist besonders an der Luthergemeinde?" - "Die Heizungsanlage", sagt W.-M., Gelächter. "Was gibt Ihnen die Motivation?", fragt K., Antwort: "Das Bahnfahren ist wichtig." Und: "Ich fuhr einen 5er-BMW und jetzt ein erdgasbetriebenes Auto."

Zum Glück gibt es ja noch die Predigt. K. deutet die Totenauferweckung des Jünglings zu Nain (Lukas 7) auf die Lage der Umwelt um: "Mutter Erde klagt um ihre Kinder, die man tot zum Stadttor hinaustrug." Sie konfrontiert die Verzweiflung mit Gottes Zusage: "Ich lasse dich nicht allein." An Gott glauben heiße, mit offenen Augen in beiden Welten zu leben. Es gelte zu wagen und zu hoffen. Solides, lauteres Evangelium, nächstes Mal bitte mehr davon!