chrismon: Wir wollen eine Bewerbung schreiben, Herr Hesse. Was ist das Wichtigste?
Jürgen Hesse: Verzeihen Sie, das geht zu schnell. Bloß nicht gleich loslegen wollen mit dem Schreiben! Die Orientierungs¬phase ist das Wichtigste, sei es bei Bewerbungen für den Job, sei es beim Werben um einen Partner. Wer bin ich, was will ich, Männlein, Weiblein, blond oder braun, zehn Jahre jünger, zehn Jahre älter? Diese Vorbereitung ist der Schlüssel. Der Rest ist Technik.
Judith Alwin: Genau! Gerade Best Ager, die plötzlich wieder auf dem Partnermarkt stehen, denken oft, dass sich das so abspielt wie in der Teeniezeit, wo an jeder Ecke eine Alternative wartete. Das stimmt aber nicht, schließlich hat man immer mehr Ecken und Kanten. Und über die muss man sich klarwerden, bevor man sich auf die Suche begibt.
Hesse: Ja. Das Bewusstsein, dass es keinen Traumjob gibt und dass Sie auch selbst keine Traumprinzessin oder kein Traumprinz sind, ist schon mal wichtig für die Vorbereitung. Viele, die in meine Beratung kommen, erzählen, im Job sei es ganz schlimm. Die frage ich auch, wie es mit der anderen Seite des Lebens läuft. Da gibt es enorme Parallelen. So, wie wir uns auf Partnersuche begeben, so, wie wir dann nur mehr oder minder glücklich sind, so ist es im Job auch.
Alwin: Wenn jemand in sich ruht, mit sich klarkommt, seiner selbst sicher ist, dann hat er auf beiden Märkten gute Chancen.
Hesse: Was ist der Unterschied zwischen einem Liebesbrief und einem Bewerbungsschreiben? Es gibt keinen! Der Mensch hat zwei Aufgaben im Leben: einen Partner zu finden, mit jemandem das Hiersein teilen. Und zu schauen, warum bin ich auf der Welt? Also eine sinnvolle Aufgabe zu finden.
Wie finden wir heraus, wer wir sind, was wir wollen?
Hesse: Freunde können helfen, der Partner, die Eltern, ein Berater. Ich habe mich an meinem Lieblingslehrer orientiert, er hatte Deutsch und Psychologie studiert, ich fand ihn toll, und deshalb wurde ich Psychologe.
Alwin: Und danke für die Irrwege! Ohne sie wäre ich an mir vorbeigelaufen. Ich hatte ein bestimmtes Männerbild, eine Mischung aus Vater und Hollywoodheld, und ich dachte, wenn du so einen gefunden hast, musst du glücklich sein. War ich aber nicht. Jetzt habe ich einen Mann, der gar nicht in dieses Schema passt. Über die Jahre meiner Onlinepartnersuche habe ich gelernt, was wirklich wichtig ist, wie bei einer Therapie. Heute bin ich glücklicher denn je.
Hesse: Man muss Dinge ausprobieren. Den allein glücklich und selig machenden Partner gibt es nicht. Vater- und Mutterbild werden in dem neuen Partner immer irgendwie kombiniert, aber man muss bereit sein zu experimentieren. So wie ich als Pubertierender vor 40 Jahren meine Großmutter ausführte und sagte, probier doch mal eine Pizza. Das tat sie, obwohl sie nicht wusste, was das ist. Aber sie war offen dafür.
Alwin: Klar ist es gut, über den Tellerrand hinauszuschauen. Ich finde es aber doch wichtig, dass mal Dinge ernsthaft angeht.
Wenn man jemanden kennenlernen will, ist es nicht sowieso ernsthaft? Oder wenn ich eine Bewerbung schreibe?
Alwin: Na, das sehen nicht alle so, jedenfalls nicht bei der Partnersuche im Internet. Meine Erfahrung: Ein Drittel der Männer, die da unterwegs sind, trifft man niemals in der Realität, die sind entweder zu schüchtern oder verheiratet. Ein Drittel sind Trophäensammler. Die können wehtun. Sie wissen genau, was eine Frau hören will, da kann man schnell drauf reinfallen. Das letzte Drittel sind die, die wirklich eine Partnerin finden wollen. Das sind immer noch Millionen. Selbst wenn man einen dunkel¬haarigen Wellensittichzüchter aus dem Ruhrgebiet sucht, bleiben Hunderte in der Auswahl. So vielen begegnet man in der realen Welt nie.
Hesse: Machen wir uns nichts vor, in beiden Bereichen geht es auch mal spielerisch zu. Man kann eine gewisse Zeit ohne Job leben. Wir haben Absicherungssysteme, das ist nicht unbedingt erstrebenswert, aber es ist auch nicht der Untergang aller Genüsse. Man kann sicher auch ein paar Jahre alleine leben...
Alwin: ...macht man das freiwillig, kann das durchaus mal wichtig und richtig sein. Es braucht Mut, wenn man sich entscheidet, das zu ändern. Und dann eine erste Mail an einen Mann, eine Frau zu schreiben, aus der Anonymität herauszutreten.
Was muss man denn jetzt beim Schreiben beachten?
Alwin: Sie müssen etwas anbieten, worauf das Gegenüber zugreifen kann. Sie müssen in Ihrem Profil etwas über sich preisgeben. Nicht so etwas wie: Ich reise gern. Sondern: Ich fahre im Urlaub gern nach Amrum, weil es mir da als Kind so gut ging. Der andere muss einen Punkt haben, an den er andocken kann. Wo er reagieren kann.
Hesse: Ich muss auch als Jobbewerber bereit sein, etwas von mir preiszugeben. Ich kann nicht fragen: Bezuschussen Sie das Kantinenessen?, sondern muss erst mal sagen, ich kann das und das, und in so ein tolles Unternehmen, wie Sie eines sind, würde ich mich gerne einbringen mit dem, was ich kann. Also: Ich, du, wir. Wir gemeinsam sind ein Erfolgsteam, das muss man klarmachen. Ich muss Interessantes von mir erzählen, und ich muss interessante Fragen stellen.
Alwin: Im Internet hat man natürlich schon investiert, durch sein Profil und durch das Foto, auf dem nicht eine junge Sofia Loren drauf zu sehen ist oder ein Brad Pitt, sondern ein Mensch, der frei rüberkommt, der fröhlich ist. Bloß nicht so: Silhouette von Mann vor Statussymbol, das gibt’s ja ganz oft...
Hesse: Es gibt aber viele Frauen, die das toll finden!
Alwin: Nur: Will ich eine, die mich liebt, weil ich so toll bin, oder will ich eine flotte Dreißigjährige, obwohl ich schon 50 bin? Dann muss ich natürlich mit geldwerten Vorteilen kommen. Das ist nun mal ein Partnermarkt! Damen suchen George Clooney oder den gebildeten Akademiker im gleichen Alter. Den kriegt „frau“ meist nicht, wenn sie über 40 ist. Da antwortet dann der Mann mit 1,54 Meter, der eine große Frau für die Beziehung auf Augenhöhe sucht. Und die Männer? Alle wollen Mrs. Right, rotes Kleidchen, immer treu, hübsch, sexy und selbstständig, aber bitte ein bisschen weniger Geld verdienend als sie selbst.
Männer machen sich größer und reicher, Frauen schlanker, hübscher, jünger. . .
Was halten Sie von anonymisierten Bewerbungen, ohne Foto, ohne Name, ohne Alter?
Hesse: Totaler Quatsch. Der Grundgedanke ist richtig, aber die Umsetzung funktioniert nicht. Jeder Banker, der einen Kredit vergeben will, will wissen, mit wem er es zu tun hat. Da macht man sich besser nett zurecht, hat keine Fahne und trägt keine bekleckerte Bluse. Sie müssen sympathisch auftreten, dann vertraut man Ihnen und traut Ihnen auch was zu. Das Foto ist ein ganz wesentlicher Weichensteller. Dabei kommt es nicht drauf an, dass Sie wie Claudia Schiffer aussehen. Suchen Sie sich einen guten Fotografen, dann fotografiert der sie auch so, dass Sie sympathisch rüberkommen.
Können Fotos lügen?
Alwin: Ja, doch. Viele Fotos sind am Computer bearbeitet – Traumfrauen wie die auf den Hochglanzmagazinen gibt es real nicht.
Hesse: Ja, Fotos können lügen, insbesondere sind sie eine Projektionsfläche, und es ist doch ganz klar, wenn ich ein sympathisches Foto habe, lese ich den Text auch mit diesem Gefühl. Das muss man sich verdeutlichen, es geht um zutiefst emo¬tionale Entscheidungen – bei der Partnerwahl und bei der Bewerberauswahl.
Text kann auch lügen. Angeblich schreiben manche einfach in den Lebenslauf: „spanisch, fließend“. Geht das?
Alwin: Nein.
Hesse: Ach, das mit der Wahrheit ist schwierig. Dumme Personal¬chefs sagen immer: Ich möchte einen Bewerber, der so auftritt, wie er ist. Das ist Quatsch. In der Badewanne bin ich anders, mit meinen Hunden beim Spaziergang bin ich anders, im Vor¬stellungsgespräch bin ich anders. Die Damen schminken sich, und ich sitze hier nicht im Unterhemd. Aber es ist nicht korrekt zu sagen, ich bin 50, wenn ich 60 bin. Andererseits: Wer sein Alter nicht reinschreibt und auf dem Foto zehn Jahre jünger aussieht, hat nicht mal gelogen.
Kann man sagen, der Zweck heiligt die Mittel?
Hesse: Die Grenzen sind fließend, und oft finde ich das nicht in Ordnung. Geflunkert wird ja auch auf der anderen Seite. Unternehmen sind immer erfolgreich, ein junges, dynamisches Team, da erzählt Ihnen kein Fabrikbesitzer, dass er gerade die Steuerfahndung im Haus hat, dass die Kreditlinie gestrichen worden ist und dass die Konkurrenz schon seit Jahren bessere Produkte hat. Jeder zeigt sich von der besten Seite, das ist legitim.
Alwin: Bei der Partnersuche auch. Männer machen sich größer und reicher, bei Frauen geht’s um schlank und hübsch und jung. Im üblichen Rahmen ist es in Ordnung, wenn man ein hübsches Foto reinstellt oder sich zwei Jahre jünger macht, weil man sonst in die Kategorie fünfzig plus gerät.
Also soll ich sagen, ich bin ein prima Produkt, weil...?
Hesse: Sie können aus Daffke schon mal sagen, ich bin ein schwieriges Produkt, dann ist das der Hingucker. Aber normalerweise präsentiere ich nicht meine Schwächen. Der Bäcker sucht eine Bäckereifachverkäuferin, die sonntags früh aufsteht, und Sie sind die Lösung! Wenn ich einen Partner suche, dann sage ich auch nicht, ich hab schon fünf Trennungen hinter mir, ich bin gestalkt worden, und mit meinem Exmann streite ich mich vor Gericht. Flunkern oder übertreiben kann ich natürlich nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, wenn ich einer Frau erzähle, ich habe ein Schloss und wohne in der Mietwohnung – das kommt nicht gut an.
So, jetzt kommt es zum ersten Treffen. Was ist entscheidend?
Alwin: Die ersten fünf Sekunden. Dabei ist es nicht so wichtig, was wir sagen, das zählt nur zu sieben Prozent, sondern wie: Wir überzeugen durch Körpersprache und Optik. Da ist es wie auf dem Gebrauchtwagenmarkt. Die schön polierten gehen zuerst weg.
Hesse: Ja, aber dennoch ist es wichtig, dass Sie nicht nur gut gekleidet und geschminkt beziehungsweise rasiert dahin gehen, Sie müssen eine Botschaft haben. Viele Leute machen sich nicht klar, was sie in Vorstellungsgesprächen sagen wollen. Sie haben keine zurechtgelegten Sätze, die etwas über ihre Kompetenz und ihre bisherigen Erfolge aussagen. Ich bin der erste Vorsitzende des Schäferhundverbandes, ich spiele Klavier oder ich arbeite bei der Telefonseelsorge – solche Sachen. Dann sagt der andere, ach, das ist ja interessant, erzählen Sie mal. Und schon ist da eine Vertrauensebene.Wenn ich meine Mission vorbereitet habe, trete ich anders auf, nicht nur körpersprachlich, sondern auch inhaltlich, auch bei der Partnersuche, dann ist das Eis gebrochen. Die anderen erzählen auch Anekdoten. Das sind die Spielregeln, wenn Sie die durchschaut haben, dann können Sie als Heiratsschwindler oder als Karriereberater arbeiten.
Das Inhaltliche macht doch nur ganz wenig aus!
Alwin: Trotzdem muss man für irgendwas brennen. Und dieses Brennen überzeugt. Darüber hinaus zählt die Offenheit, mit der ich auf jemanden zugehe, die Stimme, der Händedruck, dass ich jemandem in die Augen gucken kann. Man muss die Leute dazu bringen, dass sie Lust haben, sich mit mir zu befassen. Dafür hat man diese fünf Sekunden Zeit.
. . . und das Unternehmen ist immer ein junges, dynamisches Team!
Sind die Leute eher zu schüchtern oder größenwahnsinnig?
Alwin: Viele Frauen sind sehr zurückhaltend. Für sie ist Onlinedating ideal, aber das reale Date kommt irgendwann. Ich habe alleinerziehende Freundinnen, die über Jahre nur für ihre Kinder da waren. Nun sollen – und wollen – sie sich plötzlich mit einem Mann befassen und wissen gar nicht mehr so recht, wie das geht. Also: ausprobieren. Nach und nach verliert man die Scheu und kann wieder offener auf andere zugehen.
Hesse: Es gibt einige Leute, die schüchtern sind und trotzdem Größenfantasien haben, das ist eine schwierige Melange. Nach vorne raus die Alpen, nach hinten die Nordsee, das kriegt man nicht.
Alwin: Wichtige Ausschlusskriterien muss man aber beachten, das spart beiden Seiten Zeit und Nerven. Die Kinderfrage zum Beispiel, oder wenn der eine Asthmatiker ist und der andere Kette raucht.
Hesse: Toleranz ist ein wichtiges Stichwort. Rauchen! Aber es wäre ziemlich blöd, das als Ausschlusskriterium zu nehmen. Sie trinkt keinen Wein – auch doof. Man muss abwägen, auch wenn das jetzt merkantil klingt, was sind Nutzen, was sind Kosten.
Man hat sich seine Wünsche bewusstgemacht, eine tolle Bewerbung geschrieben, kaum geflunkert – und keiner will einen. Hat man sich dann einfach nicht genug angestrengt?
Hesse: Vielleicht hatte man auch falsche Erwartungen. Es gibt natürlich Leute, die so von sich überzeugt sind, dass man ihnen wieder ein bisschen runterhelfen muss. Kein Personalchef nimmt jemanden, der sagt, er sei der Kaiser von China und könne zaubern. Aber er will auch keinen, der unter der geschlossenen Tür durchkriecht und bitte, bitte macht.
Auch die anderen kriegen mal eine Absage.
Hesse: Das kratzt am Selbstwertgefühl, dann denken Sie irgendwann auch, ich bin nicht so toll und ich bin froh, wenn man mich für zwei Drittel meines Marktwertes nimmt. Und wenn Sie erst mal Hartz IV geworden sind und zwei Jahre zu Hause vor dem Fernseher gesessen haben, dann sind Sie auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar, weil Sie jeden Glanz verloren haben, jeden Glauben an sich selbst.
Sollte man um eine ehrliche Absage bitten?
Hesse: Das ist die völlig falsche Frage! Hätten Sie damals bei der Tanzstunde das Mädchen gefragt, warum es Ihnen einen Korb gibt? Das haut nicht hin. Man muss es das nächste Mal einfach besser oder wenigstens anders machen. Am wichtigsten jedoch: überhaupt weitermachen, nicht aufgeben! Klar, das ist leichter gesagt als getan.
Aber woher soll ich denn wissen, was ich falsch gemacht habe?
Hesse: Ganz einfach: Wer ist das, der Ihnen gesagt hat, dass Sie die Falsche sind? Sehen Sie es doch so: Sie sind gut, der andere ist ein Idiot, dass er das nicht erkannt hat. Gehen Sie woanders hin! Der Nächste nimmt Sie mit Kusshand. – Sie dürfen einem anderen nicht die Macht einräumen, dass er sie verletzen kann.
Alwin: Aber es tut natürlich weh, wenn ein Nein kommt. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe drei Jahre gesucht. Bei der Partnersuche ist eine ehrliche Absage fair. Es geht ja schließlich um die Frage, passt es mit uns oder passt es nicht?! Also: Klare Worte, aber bitte nicht verletzend. Die größte Unverschämtheit ist, gar nicht zu reagieren und den anderen hängenzulassen, egal, ob bei der Partner- oder Jobsuche.
Was würden Sie der anderen Seite gern beibringen?
Hesse: Eine andere Qualität der Fragen, aber noch mehr zuzuhören. Es gibt Personaler, die keinen Interviewstil haben, die schlecht vorbereitet sind. Und inadäquate Fragen stellen. Und sie sollten, als Gastgeber, besonders höflich und sensibel mit dem Kandidaten umgehen. Aufmerksam sein.
Alwin: Nettiquette! Höflichkeit steht allen Menschen gut zu Gesicht. Online und real.
Die traurigen Parallelen von Job- und Partnermarkt
Hesse und Alwin beschreiben die allgemeine Marktförmigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen - und ich lese in den Ausführungen beider Gesprächspartner nicht den leisesten Hauch einer kritischen Distanz dazu. Beide betreiben in ihrer Argumentation pure Affirmation von Verhältnissen, die einer dringenden Veränderung bedürfen. Für diese Veränderungen sollte das Magazin CHRISMON seinen publizistischen Raum mehr denn je zur Verfügung stellen.
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Kritische Distanz
Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Gast schrieb am 5. August 2012 um 20:16: "ich lese in den Ausführungen beider Gesprächspartner nicht den leisesten Hauch einer kritischen Distanz dazu." Dazu sind weder der liebe Gott, noch das evangelische Pressewesen und auch nicht die säkulare Nachfolgeveranstaltung des Glaubens, die psychologische Weltsicht nämlich, erfunden worden. Diese Einrichtungen gibt es, um jede Menge Tipps zu verbreiten, wie sich der Normalmensch auch noch in den widerwärtigsten Zwängen einzurichten hat. Insofern dürfte Ihr Appell an CHRISMON, es doch mal mit der Kritik zu versuchen, sich in der Adresse gründlich geirrt haben. Nicht die Verhältnisse bedürfen einer Veränderung, sondern der eine Teil der Menschheit, der den Verhältnissen unterworfenen ist, täte gut daran, auf grundlegende Abhilfe bezüglich der Verhältnisse zu sinnen. Von jemandem, der 180 Bewerbungs- und Karriereratgeber geschrieben hat, dürfte in dieser Hinsicht kein Beitrag zu erwarten sein.
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Sommerloch in den Köpfen
Die einzige Gemeinsamkeit, die beide Gesprächspartner offenbaren, ist das Sommerloch in ihren Köpfen. Man sollte nicht glauben, wofür sich Mittelschichtmenschen hergeben, um Geld zu verdienen. Jetzt wollen sie uns einreden - offenbar gegen Bezahlung durch Chrismon - dass Markt gleich Markt sei. Als ob wir das nicht wüssten. Dann aber die natürliche Sehnsucht des Menschen nach Partnerschaft gleich noch mit als Markt zu verramschen und Übereinstimmungen zu finden zwischen dem Bedürfnis des sozialen Wesens Mensch nach dem Anderen einerseits und der Notwendigkeit, seine Arbeitskraft zu verkaufen nach dem Diktat des stärkeren Vertragspartners, dazu gehört schon eine gehörige Portion Menschenverachtung.
Liebe ist Schwäche zu zeigen, ohne Stärke zu provozieren. Und dann wollen die beiden Ökonomie und Liebe in einen Topf schmeißen.
Von diesen beiden Zeitgenossen möchte ich mir tunlichst nicht helfen lassen. Und eine derart berechnende Frau hätte gar keine Chance, jemals über meine Schwelle zu treten.
dies schrieb ebsw
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Hilfsangebote
Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. EBSW schreib am 6. August 2012 um 16:47: "Von diesen beiden Zeitgenossen möchte ich mir tunlichst nicht helfen lassen." Das Bedrückende ist, dass man der Ideologie, der die Interviewten frönen, keineswegs einfach dadurch entkommt, dass man auf ihre Seminare, Ratgeber und Coachingtipps pfeift. Es ist leider gedankliches Allgemeingut, zur Arbeitslosigkeit den Einfall zu haben, sich zu fragen, was man bei dem systematisch verlogenen Affentheater namens Bewerbungsschreiben und Vorstellungsgespräch wieder falsch gemacht habe, wenn sich zur 120. Absage die 121. gesellt. Die Auskunft, dass man überhaupt nichts falsch gemacht hat, sondern dass man die Folgen des Mitmachens am freiheitlichen Marktgeschehen erlebt, wird tunlichst überall verschwiegen. ___________________________________ Statt auf die Ohnmacht des freien Normalbürgers hinzuweisen, auf einen Arbeitsplatz angewiesen zu sein ohne eine Möglichkeit zu haben, solche ins Leben zu rufen, werden immer nur dämliche bis hochraffinierte Ratschläge verteilt, wie der ebenfalls in derselben Ohnmacht befindliche Mitbewerber am besten auszustechen sei. Da können alle Arbeitsplatzsucher darauf achten, dass sie nicht mit bekleckerter Bluse, sondern nur mit korrekt gebundener Krawatte aufkreuzen und den Personaler mit dem neuesten engagierten, aber nicht anzüglichen Hüftschwung, Wimperngeklimpere und Handschlag umgarnen. Deshalb gibt es keinen einzigen von den zumeist erbärmlichen Arbeitsplätzen mehr.
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