Ehrenamt beim Frauennotruf
"Wir reden auch über Tabus"
Sina Damke, Jahrgang 1997, übernimmt als ehrenamtliche Beraterin 24-Stunden-Schichten beim Frauennotruf Mirjam in Hannover. Dort erlebt sie anrührende Gespräche. Wie geht sie damit um?
Sina Damke, Jahrgang 1997, berät ehrenamtlich beim Frauennotruf "Mirjam" in Hannover
Sina Damke, Jahrgang 1997, berät ehrenamtlich beim Frauennotruf "Mirjam" in Hannover
Aaron Leithäuser
Tim Wegner
25.09.2024
3Min

Was machen Sie?

Ich bin telefonische Ansprechpartnerin für Frauen und Mädchen, die gerade überfordert sind oder Angst haben. Oft rufen junge Teenagerinnen an, die fürchten schwanger zu sein, oder Frauen, die Schwierigkeiten mit einem Schreibaby haben oder unter häuslicher Gewalt leiden. Seit einiger Zeit kontaktieren uns auch immer mehr Männer.

Wie helfen Sie weiter?

Vor allem höre ich zu und beruhige, ich versuche, die Last oder die Schuldgefühle zu nehmen. Dann vermittle ich Kontakte zu Hilfestellen in Hannover, die weiter unterstützen können.

Wie wurden Sie auf die Aufgabe vorbereitet?

Unsere Chefin gibt regelmäßig dreitägige Einführungskurse. Wir haben uns damit beschäftigt, mit welcher Haltung wir ins Gespräch gehen, welche Rechte ich, aber auch die Frauen haben. Auf den Inhalt kann man sich schwer vorbereiten.

Wie oft machen Sie das?

Zwei 24-Stunden-Schichten im Monat. Das heißt: Einen Tag lang bin ich rund um die Uhr erreichbar. Ich habe für die Aufgabe ein extra Telefon, nachts liegt es neben meinem Bett. Normalerweise rufen aber nicht viele an.

Warum nehmen Sie das auf sich?

Ich habe soziale Arbeit studiert und bin über eine Projektarbeit mit der Mirjam-Initiative in Kontakt gekommen. Ich finde es schön, dass Frauen einander unterstützen. Bei uns haben Probleme Raum, die sonst Tabus sind, etwa Wochenbettdepressionen, der Satz "Ich kann nicht mehr", oder Frauen, die sagen: "Gerade kann ich mein Kind nicht lieben."

"Der Mann hatte nun auch das Kind angegriffen. Das war ihre Grenze"

Ist mal etwas schiefgegangen?

Das nicht. Einmal habe ich mich bei meiner Chefin rückversichert, ob ich genug getan habe. Seitdem frage ich immer am Ende des Telefonats: "Hat das geholfen? Können Sie damit was anfangen?"

Welcher Anruf hat Sie besonders berührt?

Eine Frau rief an, deren Muttersprache nicht Deutsch war. Sie litt unter häuslicher Gewalt. Nun hatte der Mann zum ersten Mal auch das Kind angegriffen. Das war ihre Grenze. Es war arg, das Leid in ihrer Stimme zu hören und nicht sofort mehr tun zu können. Dann musst du auflegen und weißt nicht, wie es ausgeht. Und als nächstes wartet die Spülmaschine auf dich, die ausgeräumt werden will. Solche Gespräche bleiben mir sehr im Kopf.

Wie gehen Sie damit um?

Da ich in der Sozialen Arbeit beschäftigt bin, habe ich zum Glück viele um mich, mit denen ich mich austauschen kann. Auch an unsere Chefin können wir uns immer wenden!

Was war ein schönes Erlebnis?

Eine 16-Jährige hatte Angst, schwanger zu sein. Sie stellte darüber sehr kindliche Fragen und meinte, das Kind zu spüren, obwohl sie sich, wenn überhaupt, erst ganz am Anfang befunden hätte. Ich habe versucht, das Gespräch aufzulockern, und tatsächlich konnte ich sie zum Lachen bringen. Das hat die Angst etwas genommen und wir haben am Schluss festgestellt, dass das Leben auch dann weiterginge, wenn sie tatsächlich schwanger wäre. Diesen Weg zusammen zu erarbeiten, war schön.

Was hat Sie anfangs überrascht?

Wie schnell sich Frauen öffnen und mit fremden Personen über intime Dinge sprechen, wenn sie anonym bleiben können.

Infobox

Hilfe für Betroffene

Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist immer erreichbar, kostenlos und anonym: 08000 - 116016.

Der Notruf Mirjam - Hilfe für Schwangere und Mütter ist unter Telefon 0800 – 60 500 40 erreichbar.

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