Albrecht Henkys / Stadtmuseum Berlin
„Kunstraum Parochialkirche"
Zeitgenössische Bilder der Auferstehung
Für alles gibt es Statistiken – sogar darüber, wie häufig christliche Motive auf Kunstwerken zu finden sind. Das ist eine vom Mittelalter über die Neuzeit bis zur Spätmoderne sinkende Linie. Aber auch heute noch gibt es theologische Entdeckungen in der bildenden Kunst: „Kunstraum Parochialkirche – 12 Variationen zur Auferstehung“
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
16.02.2024

Dass die moderne Kunst sich nicht ausschließlich mit den heiligen Figuren und Geschichten des Christentums beschäftigt, wird niemand beklagen. Es ist schlicht das Zeichen ihrer Freiheit und Weite. Interessant ist aber, wo und wie christliche Motive immer noch in ihr vorkommen – direkt oder verwandelt. Allerdings fällt auf, dass diese vor allem aus der Passionsgeschichte stammen: Das Leiden Christi wird so zu einem – häufig gebrochenen – Spiegel der Leiden unserer Zeit. Ganz selten haben moderne Künstlerinnen und Künstler sich der hellen Seite des Christentums zugewandt. Auferstehung – Fehlanzeige?

Deshalb ist die Ausstellung, die wir gerade in Zusammenarbeit mit dem Berliner Stadtmuseum und der Mariengemeinde in der wunderbar-rohen Parochialkirche zeigen, ein ungewöhnliches Experiment. Ihren Ursprung hat sie in der „Kapelle Kraut“ in der Nikolaikirche (die lohnt ebenfalls einen Besuch). In dieser Kapelle gab es ein barockes Wandbild über „Christus im Moment der Auferstehung“, geschaffen von einem unbekannten Künstler. Zwar wurde die Kapelle in den 1980er Jahren restauriert, doch das Wandbild war vollständig verloren. Nur Fotos waren geblieben. Diese Leerstelle neu zu füllen, hatten sich vierzehn Künstlerinnen und Künstler in den Jahren 2021–2023 nacheinander zur Aufgabe gemacht. In unterschiedlichster Weise haben sie das verlorene Auferstehungsbild zu einem neuen Leben erweckt – mal poppig-bunt, mal karg-düster, mal nah am Original, mal sehr verfremdet, mal gegenständlich, mal abstrakt. Jetzt sind ihre Bilder in der Ausstellung „Kunstraum Parochial“ einmalig versammelt. Das ergibt einen vielstimmigen Dialog über die Lust und die Unmöglichkeit, ein Auferstehungsbild zu malen.

Für mich hat diese Ausstellung einen besonderen theologischen Hintersinn. Denn der Auferstehungsglaube war in seinem Ursprung eine Sache des Schauens. Das zeigt der Blick in den ältesten „Auferstehungsbericht“. Darin listet Paulus all diejenigen auf, die Christus geschehen beziehungsweise geschaut haben: zuerst Petrus, danach die Zwölf, dann mehr als fünfhundert Brüder, danach Jakobus, danach alle Apostel, und schließlich „ist er auch von mir gesehen worden.“ (Vgl. 1. Brief an die Korinther 15).

Was heißt hier „sehen“? Paulus und die anderen dürften es so gemeint haben: Wir haben ihn leibhaftig vor uns gesehen. Will man dies nachempfinden, wird man an eine höchst intensive Vision denken können, ein Schauen im Geist als eine sinnliche Erfahrung: Jesus ist nicht tot, ich schaue ihn und empfinde seine Gegenwart. Er lebt in mir und ich in ihm.

Ob das auch mit den Mitteln der modernen bildenden Kunst geht? Kann man also die Liste von Paulus so fortschreiben: Und viele Jahrhunderte später ist er vom Künstler der „Kapelle Kraut“ geschaut und in einem Bild anderen zur Anschauung gegeben worden, und dessen Bild haben diese Künstlerinnen und Künstler gesehen und in zwölf Bildern weitergemalt, nämlich Nikolai Makarov, Johanna Staniczek, Klaus Killisch und Markus Rheinfurth, Thomas Lucker, Christa Jeitner, Sabine Herrmann, Doris Leue, Helen Verhoeven, Hans Scheib und Robert Weber, Volker Henze, Rebecca Raue, Helge Leiberg. Indem nun ich als Besucher der Ausstellung ihre Bilder betrachte, kann ich mich fragen, inwiefern Christus in mir lebt und ich in ihm.

P.S.: Die Ausstellung „Kunstraum Parochial“ ist vom 14. Februar bis zum 20. Mai in der Berliner Parochialkirche zu sehen. Montag bis Freitag 10-16h, Samstag und Sonntag 13-16h.

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Kunstraum Parochial -
herzlichen Dank für die lebendige, ansprechende "Illustration" der Ausstellung. Ich hätte sie wahrscheinlich ohne den Kulturbeutel nicht entdeckt.

Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur