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Wenn ich am Wochenende mal eine Denkpause brauche, klicke ich mich aus lauter Lust und Laune durch den Whatsapp-Status auf meinem Handy. Meine Mutter ist richtig emsig, was das Einstellen von Fotos, Videos und Texten angeht. Zwischen den täglichen Morgenandachten, die sie vor ihrem Weg zur Arbeit für Freunde und Bekannte fast schon in einer Pflichttreue teilt, fanden sich am letzten Sonntag Fotos von einer großen Halle, reichlich Werkzeug und Steinen über Steinen.
Ein guter Bekannter meiner Mutter ist Steinmetz in meiner Heimatstadt und öffnet regelmäßig seine Werkstatt und alles was so dazugehört für interessierte Besucherinnen und Besucher. Meine Mutter hilft dann des Öfteren in der Bude, wo in der kälteren Jahreszeit neben Bratwurst auch Glühwein serviert wird.
Richtig urig und gemütlich also. Wäre da nicht eine ganz schön schweißtreibende und Arbeit, die hinter dem Umgang mit Hammer, Meißel und Maschinen steckt.
Einfach mal anpacken
Dabei mag der Steinmetzberuf durch seinen hohen künstlerischen Anteil vermeintlich weniger handwerklich sein als etwa die Arbeit als Dachdecker, Maler oder Maurer. Die letzten drei stehen für mich auch fast schon wieder klischeemäßig fürs Handwerk. Eigentlich schade, denn Handwerk kann eben auch sowas wie Hörakustiker, Raumausstatter oder Floristin sein. Trotzdem genießt das Handwerk einen mal mehr, mal weniger guten Ruf - und die Wahrnehmung von Handwerksberufen schwankt zwischen Bewunderung für so viel Können und Fingerspitzengefühl und dem Abtun als irgendwie minderwertige, schmutzige Angelegenheit, die zigarettenrauchende, kaffeeschlürfende Typen in blauer Arbeitshose in gut bürgerlichen Haushalten über die Bühne bringen - und den Zeitplan ja sowieso nicht einhalten.
Doch eher überraschend war für mich die aktuelle Forsa-Umfrage aus diesem Jahr. Die kommt nämlich zu dem Schluss, dass die Wahrnehmung des Handwerks 2022 Rekordwerte erzielt hat. Für so ein vortreffliches Ergebnis hat wohl auch die erfolgreiche Imagekampagne des Zentralverbands des Deutschen Handwerks gesorgt, die wir diese Woche auch in unserem Montagsnewsletter erwähnt haben. Das Motto: „Handwerk neu denken“. Die Imagekampagne läuft aber seit fast 15 Jahren. Und damit nicht erst seit gestern.
Für das erfreuliche Ergebnis hat sicher auch die Pandemie ein klein wenig beigetragen. Plötzlich wurden die Baumärkte überrannt, viele entfalteten ungeahnte Do-it-yourself-Bestrebungen in ihren vier Wänden. Ich wollte mir in der Zeit auch eine tolle Indoor-Kräuterwand bauen. Selbst diese vermeintlich kleine handwerkliche Aufgabe entpuppte sich schwieriger als gedacht. Irgendwann war meine Geduld auch zu Ende und ich habe das halbfertige Teil einfach genervt irgendwie an der Küchenwand angebracht. Dabei ist mein Freund eigentlich derjenige in der Beziehung, der sich für gewöhnlich mit wenig Vergnügen durch seitenlange Bauanleitungen und Reparaturhinweise quält - und am Ende doch öfters scheitert als es ihm lieb ist.
Wenige Handwerker und noch weniger Materialien in der DDR
Wir sind jedes Mal wieder froh, wenn uns ein fähiger Handwerker bei unseren Wohnungsproblemen hilft. Einen handwerklichen Beruf auszuüben bedeutet für mich tatsächlich etwas Ehrwürdiges, Bewundernswertes und nicht zuletzt auch Unersetzbares. Wenn ich in der Pampa mit dem Auto liegenbleibe, wäre mir ein Mechaniker tausendmal lieber als ein Akademiker mit zwei linken Händen. Und im Krankenhaus möchte ich auch jemanden vor mir haben, der weiß, wie er in Notfallsituationen praktisch reagieren muss und sich nicht vor Blut und anderen Körperflüssigkeiten ekelt.
In meiner Familie jedenfalls ist das Handwerk recht verbreitet, mein älterer Bruder ist gelernter Tischler, mein Vater war gelernter Werkzeugmacher und hat in der DDR als Gasgeräteinstallateur gearbeitet. Damals sollte er den väterlichen Betrieb übernehmen. Meine Mutter hat nach der Realschule das Konditorenhandwerk gelernt. Und mein jüngerer Bruder hat sich nach einem nicht wirklich passenden Studiengang für den Krankenpflegeberuf entschieden - und ist glücklich mit der Wahl, auch wenn die Arbeitsbedingungen besser sein könnten. Ich jedenfalls finde es beachtlich, dass er in Situationen, in denen es um Leben und Tod geht, einen kühlen Kopf bewahrt. Auf der Intensivstation könnte ich vermutlich nicht arbeiten.
In der DDR entsprach der Spruch „Handwerk hat goldenen Boden“ jedenfalls der Realität. In dem sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat waren Handwerker hoch geschätzt. Sie hatten Zugriff auf Materialien, Ersatzteile, Zubehör. In einem Land, wo das Meiste reguliert und staatlich kontrolliert war, etwas Freiheit und Selbstbestimmung. Lange hielt das aber nicht an, drängte der Staat ab den 1950er Jahren die Handwerker im privaten Sektor zunehmend in Handwerkskammern, Blockparteien unter Führung der DDR und in die Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH).
Die zunehmende Knappheit an Produktionsmitteln machte immer zuerst den privaten Handwerkern zu schaffen, die nach den Volkseigenen Betrieben (VEB) erst zweitrangig behandelt wurden. Dazu kam die staatlichen forcierten Einschränkung der Ausübung, viele sollten lediglich Reparaturen durchführen. Viel ging unter der Hand, Kontakte waren gold wert und verhalfen zu Tauschgeschäften zwischen den Handwerksgruppen, um überhaupt etwas Material zu erhalten. Irgendwie wusste man sich zu helfen, es wurde improvisiert.
Staatlich gefördert wurden hingegen die sogenannten Feierabendbrigaden - Schwarzarbeit in Haushalten nach Feierabend, an den Wochenenden oder im Jahresurlaub. Den Lohn gab es bar auf die Hand, die Baustoffe mussten die Auftraggeber stellen oder sie wurden aus den Betrieben schlichtweg entwendet. Man nahm, was man bekommen konnte und half sich untereinander.
Heute ist das Meiste ebenso schnell bestellt wie wieder entsorgt. Die Wertschätzung bleibt dann mitunter auf der Strecke.
Unsere Gesellschaft, unser System kann aber nicht ohne Handwerk funktionieren. Wir sollten uns das immer wieder bewusst machen - und im eigenen Umfeld bei interessierten jungen Menschen auch leidenschaftlicher und ermutigender dafür werben, als ständig nur zum Studium als vermeintlich einzig richtigen Weg zu raten.
Feierabendbrigaden in der DDR im Beitrag zum Handwerk
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Die Feierabendbrigaden wurden nicht staatlich gefördert. Dazu waren sie zu nah am Rande der Legalität - wie ja auch im Beitrag dargestellt.
Bei Feierabendbrigaden war auch eine Bezahlung in Ost-Mark nicht so gerne gesehen.
Vielmehr war es so, dass man zu der Vorgehensweise getrieben wurde, weil auf offiziellem Wege nichts ging.