- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Über die Klima-Bewegung wird gerade viel gestritten: Ob ihre Protestmethoden angemessen oder schädlich, legitim oder illegal sind. Dabei wird die Problematik eines anderen Flügels der Klima-Bewegung übersehen. Ich nenne diesen – in Ermangelung eines besseren Begriffs – den Lifestyle-Klimaschutz.
Vielleicht muss es ihn geben, vielleicht ist er in einer konsumkapitalistischen Gesellschaft unvermeidlich. Und doch, wie er arbeitet und sich darstellt, ist ein Problem. Das kann man bei diesem Clip der Zurich Bank besonders deutlich sehen.
Der Clip zeigt den Tierfotografen und Aktivisten Robert Marc Lehmann – ein junger, sportlicher Abenteuertyp. Er sitzt allein in einem Wald. Eindringlich weist er auf die Vernichtung der Regenwälder und deren Folgen für das Weltklima hin. Jedes Wort würde ich unterstreichen. Aber dann erzählt er von seiner Lösung: Es sei ganz einfach; wir müssten nur die bedrohten Waldflächen aufkaufen und sie der Nutzung entziehen; dann würde die unberührte Natur sich von ganz allein regenerieren; jeder von uns könne dabei mitmachen.
Mich störte daran nicht nur, dass diese Geschichte viel zu schön und simpel klingt, um wahr zu sein. Mich irritierte auch, wie Lehmann sich selbst dabei in Szene setzte – als einsamer deutscher Weltenretter im fernen, exotischen Dschungel – und dass im Kino-Clip kein einziger Vertreter der örtlichen Bevölkerung zu sehen war (in der Langversion für YouTube tauchen nur kurz ein Träger und ein böser Tierhändler auf). Da stellte sich mir die Frage, wer hier das „Wir“ ist, das den Regenwald kaufen und einzäunen soll. Menschen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika dürften nicht gemeint sein.
Das erinnerte mich an die Begriffe des neokolonialen „Festungsnaturschutzes“ und des „Green Grabbing“, die ich kürzlich von dem Afrikanisten Andreas Eckert gelernt habe. Dieser hat in Deutschland eine lange, problematische Tradition – beginnend mit Bernhard Grzimek: Um die afrikanischen Tiere zu retten, müsse man weite Teile Afrikas den Einheimischen wegnehmen und militärisch bewachen. Ganz so krass ist es bei Herrn Lehmann nicht. Eine strukturelle Ähnlichkeit aber bleibt, zumindest zeigt sich bei ihm eine fehlende Nachdenklichkeit über das eigene Auftreten.
Um sich die Problematik dieser Art von Naturschutz deutlich zu machen, hilft ein einfacher Trick. Ich nenne ihn die revers-Frage: Man stelle sich vor, ein indigener Mann aus dem Amazonas stünde vor weiten, monokulturellen Maisfeldern in Schleswig-Holstein, wehklagte über die dortigen Abholzungen in Mittelalter und früher Neuzeit und würde dann versprechen, weiträumig Grund und Boden aufzukaufen, um die Gegend zwischen Pinneberg und Bad Segeberg wieder zu bewalden und von Menschen freizuhalten. Bloß eine absurde Idee?
Natürlich habe ich Herrn Lehmann meine kritischen Fragen geschrieben. Dass er unwirsch reagiert hätte, wäre noch vorsichtig formuliert. Offenkundig mag er in seinem Selbstbild und Marketing nicht gestört werden.
Auf seiner Website kann man übrigens „Mission Erde“-Hoodies für 99 Euro erwerben. T-Shirts gibt es für 40 Euro. Taschen im militärischen Camouflage-Look für 18 Euro.
P.S.: Über den wunderbaren Dichter Charles Simic und seine Religion der Ehrfurcht hat Burkhard Reinartz eine sehr schöne Radio-Sendung gemacht (und ich durfte ein bisschen mitmachen).