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Insul war vor dem Hochwasser mit rund 460 Einwohnern ein sympathisches Dörfchen an der mittleren Ahr. Von der Kreisstadt aus war es mit Kindern, die keine Stützräder mehr brauchten, aber noch bereit waren, wochenends mit den Eltern Radtouren zu machen, nicht zuletzt dank zweier gerühmter Gastronomien ein beliebtes Ziel. Wer nicht mehr von elterlichen Freizeitangeboten gecatcht wurde, landete womöglich beim Insuler Oktoberfest, einer Kultveranstaltung, die ich nur vom Hörensagen kenne. Der Ortsname Insul klingt noch nach dem, wo die Siedlung sich einmal befand: auf einer Insel in der Ahr. Folglich wurden die niedrig gelegenen Teile bei der Flut wüst getroffen. Oben an der Hauptstraße wirkt der Ort immer noch schmuck.
Wiederaufbauhilfe macht Schule
Zum Beispiel die alte Dorfschule. Sie ist hier der "Hochwasser-Info-Point", an dem einmal die Woche der Koblenzer Architekt Michael Arnold anzutreffen ist. Ich möchte ihn dort treffen. Bei der Fahrt ahraufwärts sehe ich viele Baustellen, viele Ruinen, viel Erdbewegung und ganz viel Tal wegen der vielen Bäume, die nicht mehr da sind. Herr Arnold sitzt gerade allein in einem hellen Sitzungszimmer, wo er seinen Laptop bearbeitet. Wir arbeiten zusammen an Projekten in Bad Neuenahr-Ahrweiler, darum haben wir uns verabredet. Wir plaudern über dies und das, über die Infopoints und meinen Blog.
Ein Aufruf muss her!
„Machen Sie einen richtigen Aufruf! Machen Sie Reklame!“, ruft er, als ich anmerke, ich könne ja mal was über die Info-Points machen. Tja, einen Aufruf. Nur warum? Die Info-Points sind die Anlaufstelle, um Kontakt zur Infrastrukturbank (ISB) zu bekommen. Die ISB schüttet das von Bund und Ländern geschnürte Milliardeneuropaket für den Wiederaufbau aus. Das heißt, sie würde gerne, doch sie ist ihrer Gestalt nach kein Knabe mit Wunderhorn. Es ist mühsam. „Höchstens die Hälfte der Betroffenen, die Anträge stellen könnten, haben das bislang getan. Viele wissen nicht, dass sie berechtigt sind, oder sie trauen sich nicht, wegen der hohen Hürden, die sie fürchten. Gerade Ältere, die lange an ihren Häusern gebaut haben, muss man richtig überreden.“
Menschen gegen Digitaltiger
In der Tat ist die Sache formularlastig und bürokratisch. Oft hakt es, weil es digital funktionieren soll, was ja bekanntlich nicht die Paradedisziplin der Republik ist. Die eigenen Schwächen wohl vorausahnend, hat das Land die Info-Points installiert. Die Info-Points sind mit Architekten besetzt, die sich als Anwälte der Geschädigten verstehen. In fast jedem Dorf findet sich einer, prominent und auffällig - oder eben etwas versteckt in der alten Dorfschule, wie in Insul. Doch das ist Architekt Arnold egal, er schmeißt sich rein in die Sache. Er ist gerne Gast im Kaffeetreff des Frauenkreises und macht auch Hausbesuche. „Wie der Landarzt“, lacht er, „Am besten funktioniert Mund-zu-Mund-Propaganda hier.“
Hilfe bekommt ein Gesicht
Michael Arnold betreut im Moment acht Haushalte. Er gibt Tipps zu Erstellung des Online-Zugangs („Oft die ganz große Hürde für Menschen ohne Computer oder E-Mail- Adresse“), hilft bei den Anträgen, begutachtet und versucht mit seinem eigenen Netzwerk, Handwerker zu gewinnen. „Wir sehen jetzt, wie die bewilligten Gelder nach und nach ausgezahlt werden“, ist er mit dem bisher Erreichten zufrieden. Doch er ist sich auch sicher, dass er vielen, die bislang noch keinen Antrag gestellt haben, auch zu jenen 80% Wiederaufbaukosten- Erstattung verhelfen könnte. „Darum brauchen wir einen Aufruf!“ Damit es vorangeht.
Also dann: Aufruf: Wer das liest und betroffen ist oder jemand kennt, der hochwassergeschädigt ist: einfach mal zum nächsten Info-Point gehen und klären ob was geht. Und wenn der Aufruf nun ein Riesenerfolg würde, Herr Arnold? „Ach, ich mache einfach!“, lacht er sein ansteckendes Lachen. Schön, wenn Hilfe in der Not ein Gesicht bekommt.