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Die Psalmen der Bibel sind die Quelle nicht nur der geistlichen Poesie, auch für die säkulare Lyrik waren und sind sie hochbedeutsam. Deshalb haben Dichterinnen und Dichter über die Jahrhunderte hinweg eigene Psalmen geschrieben – bis in die Gegenwart. Nun hat die Berliner Schriftstellerin Ruth Johanna Benrath einen Zyklus eigener Psalmen verfasst. Dabei schöpft sie aus den Tiefen der lutherschen Bibelübersetzung und zugleich aus den Tiefen der eigenen Existenz. So verbinden sich Gottesanrufung und Glaubenszweifel, Sehnsucht und Lebensschmerz finden ihrenverdichteten Ausdruck.
Hier der erste Psalm aus einer Reihe von insgesamt 25 (wer mehr lesen möchte, bestelle sich dieses Heft der wunderbaren Literaturzeitschrift „Sinn und Form“):
PSALM/aus der tieffen
Bleibt deshalb immer etwas zu corrigirn/das versehen oder verkert ist.
(Lutherbibel 1545, Nachwort)
Hier sitzen und warten
so müde vom seufftzen
Himmel im Dauergrau
jeder Tag ein Sarg
Zeitplan sowieso ausm Ruder
Stillstand draußen, Aufruhr drinnen
Hufgetrappel im Brustraum
galoppierendes Herz
in Erwartung dessen was kommt
Monate überschlagen, Jahre
Sehnsucht bei Gott zu sein
Ihn zu fragen
was ist eigentlich los bei dir
wir warten
P.S.: Zu diesem Thema hat Ruth Johanna Benrath das Hörspiel "PSALM / aus der tieffen" aufgenommen, das am 23 Mai im MDR gesendet wird. Wer mehr wissen möchte, klicke hier.