In Ghana gibt es keine Altenheime. Die Großeltern bleiben in den Familien. Sie ziehen die Enkel auf, sind moralische Vorbilder und geben ihre Weisheit beim Erzählen mythischer Geschichten weiter. So will es die Tradition. Die Realität ist aber oft anders.
Rafael Dreyer
Heute leiden viele alte Menschen unter Einsamkeit, weil die Enkel mit ihren Eltern in die Städte ziehen. Die wirtschaftliche Lage der Alten ist häufig prekär. Es gibt keine staatlichen Hilfen, nur zehn Prozent der Bevölkerung beziehen eine reguläre Pension. Die kostenlose staatliche Gesundheitsfürsorge deckt nur die Grundbedürfnisse ab.
Kirchen helfen ein wenig
Kirchen sind oft die einzigen helfenden Institutionen. Die Presbyterian Church of Ghana (PCG) etwa gibt den über 70-Jährigen an Weihnachten ein Paket mit Grundnahrungsmitteln und ein wenig Bargeld. Ansonsten kümmern sich die Gemeinden nicht so viel um die Alten. Die Gottesdienste sind anstrengende drei Stunden lang, der Weg zur Kirche oft zu beschwerlich. Die Trotros – die öffentlichen Kleinbusse – sind eng besetzt und haben hohe Schwellen zum Einsteigen. Auch gibt es kaum öffentliche Toiletten. Immerhin bringen Gemeindevertreter den Alten das Abendmahl nach Hause. Das sind aber nur kurze Besuche und lindert kaum die Einsamkeit.
Madame Helena
Zum Glück helfen die alten Leute sich auch selbst. Die 85-jährige Madame Helena Quartey etwa feiert in ihrem Haus in Accra fast jeden Sonntag einen kürzeren Gottesdienst. Etwa 15 ältere Frauen und Männer essen dann auch miteinander und teilen ihre Anliegen. Helena Quartey gilt in ihrem Viertel als "Opinion Leader" (Meinungsführerin). Sie vermittelt bei Streitfragen, und ihr Haus ist auch während der Woche offen für jüngere Menschen, die zum Beispiel bei Eheproblemen ihren Rat suchen.