Seit Wochen gelangen immer neue Gruppen von Migranten überwiegend aus muslimischen Ländern in das Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus. Die polnischen Behörden stellt das vor gewaltige Probleme. Einerseits sind sie verpflichtet, illegale Einreisen über die EU-Außengrenze zu verhindern, andererseits halten sich auch Frauen und Kinder in Wald- und Wiesengebieten auf, und der Herbst wird immer kälter. Das Gleiche spielt sich zurzeit in Litauen ab.
Jens Boysen
Warschau ist etwa 200 Kilometer von der Grenze entfernt. Von den Geschehnissen spüren wir hier nicht viel, die Koordination aller Maßnahmen findet vor allem im grenznahen Białystok statt. Die Kirchen und mehrere NGOs haben die Regierung aufgefordert, den Menschen im Grenzgebiet ungeachtet der Rechts- und Sicherheitsfragen humanitäre Hilfe zu gewähren. Das wird auch versucht. Zum Beispiel lassen Grenzschützer in einigen Fällen zu, dass Verletzte in grenznahen Krankenhäusern versorgt werden und führen sie erst danach zurück über die formale polnische Grenzlinie.
Polen kennt legale Einwanderung
Dabei könnte die Regierung es sich eigentlich leicht machen: Kaum jemand, der es letztlich schafft, polnischen Boden zu betreten, will hier bleiben. Die meisten Flüchtlinge wollen weiter ins gelobte Deutschland, wo sie ungleich höhere Sozialleistungen erwarten können. Polen hat deshalb nur geringe Erfahrung mit den möglichen sozialen und kulturellen Folgen einer ausgedehnten illegalen Immigration. Die stetig wachsende Volkswirtschaft zieht vor allem legale Einwanderer an, darunter vor allem Ukrainer, etwa aus dem Kriegsgebiet im Donbass, und Menschen aus Belarus.
Menschen werden instrumentalisiert
Niemand hätte sich noch vor kurzem vorstellen können, dass hier, weitab vom Nahen Osten und vom Mittelmeer, Tausende muslimische Migrantinnen und Migranten auftauchen – und das würden sie ohne fremde Hilfe auch nicht. Diese Krise ist das Ergebnis eines Plans des belarussischen Diktators Lukaschenko, da sind sich Beobachter einig. Die EU-Kommission spricht von einer "Provokation", das deutsche Auswärtige Amt sagt: Das belarussische Regime missbraucht Menschen in Not zu politischen Zwecken.
Als die EU das Regime im Frühjahr 2021 wegen seines brutalen Vorgehens gegen die heimische Opposition mit Sanktionen belegte, kündigte Lukaschenko an, sich mit "hybriden" Mitteln zu rächen. Wie das aussieht, beschreiben seriöse Medien: Lukaschenkos Leute locken zielgerichtet Menschen aus muslimischen Ländern nach Belarus, um sie dann mit Versprechungen oder auch mit Gewalt ins Niemandsland an der Grenze zu bringen und den polnischen und litauischen Grenzschützern gleichsam in die Arme zu treiben. Diese demokratischen EU-Staaten werden dann, wenn sie sich dieser Erpressung widersetzen, in der belarussischen Propaganda als inhuman hingestellt.
Journalisten dürfen nicht ins Grenzgebiet
In Polen streiten sich Regierung und Opposition zurzeit vorrangig um die Sperrung des Grenzgebiets. Die Regierung lässt Journalistinnen und Journalisten sowie andere nicht staatliche Akteure nicht hinein. Zum Hintergrund: Belarus und Russland nutzen das Grenzgebiet seit Jahren für militärische Drohgebärden wie die großen gemeinsamen Manöver "Sapad". Die aktuellen Geschehnisse sind aus polnischer Sicht nur ein weiterer Baustein in Wladimir Putins Plan zur Unterminierung der europäischen Ordnung. Auch die meisten polnischen Bürger und Bürgerinnen sehen das so. Daher zeigt sich bislang kein Ausweg aus dem Dilemma zwischen grundsätzlicher christlich motivierter Hilfsbereitschaft und dem eigenen Sicherheitsbedürfnis. Die eskalierende Situation an der Grenze stellt Polen und die ganze EU auf eine harte Probe der Solidarität.
Menschenwürde
Es gibt keinen Zweifel, dieses Flüchtlingsdrama ist eine Schande für die EU - Wir hätten die Flüchtlinge längst aus dem Elend der Lagern in Afrika, Asien und sonstwo holen und nach Deutschland fliegen müssen, auch wenn die Mitglieder der EU nicht mitmachen, oder die EU uns deswegen verklagt.
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Keine Geflüchtete !
Ein wohltuend sachlicher Artikel ohne die einschlägige Moralhypertrophie.
Allerdings steht der Titel im Widerspruch zum Text. Bei den hier erwähnten Personen handelt es sich keinesfalls um "Geflüchtete", sondern um (Wirtschafts-)Migranten.
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