Flensburg: Unsere Tour startete bei den Sportpiraten, einem BMX- und Skaterpark. An guten Tagen kommen zwischen 200 und 300 Kinder und Jugendliche hierher. Sie können für einen Euro die Ausrüstung leihen, es gibt auch Getränke und Snacks. Ich ließ mir von den Jungs Tricks zeigen, denn in ihrer vertrauten Umgebung kommen wir am besten ins Gespräch. Einige von ihnen hatten letztes Jahr ein Gottesdienstvideo gedreht: Freudensprünge mit den Bikes am Ostermorgen in der Flensburger Petrikirche zu Orgelmusik.
Anna-Nicole Heinrich
Lüneburg: Was braucht unsere Gesellschaft künftig, was nicht? Bei der Utopiekonferenz diskutierte ich mit unterschiedlichsten Leuten, vom Start-up-Unternehmer bis zur Klimaaktivistin Friede. Sie kennt unglaublich viele Leute, hat uns auf etliche Projekte aufmerksam gemacht und uns an einigen Stellen unserer Tour mit Menschen verbunden, die versuchen, weniger konsumlastig zu leben und mit dem auszukommen, was sie wirklich brauchen.
Dresden: Auf Jules Hütte in einer Kleingartenanlage hat uns Friede in Lüneburg aufmerksam gemacht. Das Häuschen hat nur eine Komposttoilette. Erst dachte ich: Mist, das wird eine harte Nacht! Aber Jule nimmt häufig Gäste auf und erklärt alles liebevoll durch Hinweisschilder. Am Ende hatten wir eine der schönsten Übernachtungen unserer Tour und ein Gespräch über Gott und die Welt inmitten von Sonnenblumen.
"Tolle Ideen, wie man das Leben bereichern kann"
Cuxhaven: Einmal setzten wir uns in den erstbesten Zug, und der brachte uns in die Stadt am Meer. In der Fußgängerzone kamen wir am Schaufenster der Hanel-Stiftung vorbei, die Menschen in Altersarmut eine Anlaufstelle und Unterstützung anbietet. Stiftungsgründerin Anita Hanel erzählte von Entstehung und Wirken der Stiftung. An tollen Ideen und Partner:innen mangelt es nicht, mit denen man das Leben bereichern kann.
Marburg: Früher wurden hier Loks repariert. Dann hat Gunter Schneider, Investor und Bauherr, das Areal mit dem verfallenen Lokschuppen gekauft. Er will hier bald Raum schaffen für Gastronomie und Start-ups – und eine Gottesdiensthalle bereitstellen. Es ist schön zu sehen, dass auf dem heruntergekommenen Gelände an vielen Ecken mit jeder Menge Kreativität Neues entsteht. Eine Wand trägt zwei Graffiti: "God is dead" und "Du bist genug".
St. Pauli: Seit langem war ich in keinem Club mehr. In Hamburg traf ich Ulf von @dock3records. Ulf gab an dem Abend ein Punkkonzert im Molotow-Club. Er hat spät Theologie studiert, ist jetzt Pastor, macht viel Musik und ist megagut vernetzt. Der Posaunist in Ulfs Band arbeitet zum Beispiel für Viva con Agua Arts, eine gemeinnützige GmbH, die sich mit dem Verein und der Stiftung Viva con Agua für eine bessere Trinkwasserversorgung weltweit einsetzt.
"Buddies im Krankenhaus"
Hamburg-Eppendorf: Friedrich-Caspar von Schiller starb 2014 mit 20 Jahren an einer Herzkrankheit. Während seiner langen Zeit im Krankenhaus fehlten ihm Buddies an seiner Seite. Nach seinem Tod gründeten seine Geschwister und Eltern deshalb den HerzCaspar-Verein: Freiwillige, die Kinder und Jugendliche im Krankenhaus begleiten. Wir brachten sie mit Seelsorger:innen am Hamburger Uniklinikum zusammen. Beide können einander gut ergänzen.
München: Oft hört man, Zugewanderte müssten Deutsch lernen und eine Wohnung haben, um sich zu integrieren. Wichtig ist es aber auch, Arbeit zu finden. Das Start-up Social Bee stellt Geflüchtete und Migrant:innen ein und vermittelt sie an Firmen, die sie nach einem Jahr übernehmen. So baut die Agentur Hürden auf dem Arbeitsmarkt ab. Ein spannendes Projekt!
Bamberg: Im dortigen Ankerzentrum hat der Verein "Freund statt fremd" ein Willkommenscafé eingerichtet – eine erste Anlaufstelle für Geflüchtete und Zugewanderte in der sehr abgelegenen Gegend am östlichen Stadtrand. Wir haben uns dort zu einer Gruppe junger Männer aus Syrien, Afghanistan und dem Iran gesellt, die erst ein paar Tage da waren, und sind mit ihnen ins Stadtzentrum gefahren (über dieses Erlebnis berichte ich in der Kolumne auf S. 10). Auch im Stadtzentrum betreibt der Verein ein Café, die Blaue Frieda.
"Dann kam die Erinnerung an die Flut"
Bad Neuenahr: Der Ort steht für die Hochwasserkatastrophe. Zunächst waren wir aber im migrantisch geprägten Viertel Stolberg-Mühle bei Aachen. Dort organisieren Helfer:innen eine kultur- und sprachsensible Ausgabestelle für Flutopfer. Beeindruckend! In Bad Neuenahr stand ich mit dem Gastronomen Christian Lindner im Hotel Aurora vor einer einsturzgefährdeten Wand, die mit einem großen Fragezeichen gekennzeichnet war. Dort kam ihm die Nacht der Flut in Erinnerung: Wie das Wasser stieg und er sich sorgen musste – um die Statik seines Hauses und gleichzeitig um das Wohl seiner Gäste.
Freiburg: Am Ende unserer Tour trafen wir uns mit Oberbürgermeister Martin Horn und er führte uns durch das neue "Klima plus"-Rathaus im Stühlinger: Es produziert mehr Energie, als es verbraucht. Horn weiß: Selbst Freiburg wird seine Klimaziele nicht mehr erreichen können. Und das, obwohl diese Stadt mit guten Ideen für die Umwelt vorangeht. Aber Horn bleibt motiviert. Vorbildlich!