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Vor zwei Jahren war ich auf einer Architekturreise in New York. Es war ein spannendes Programm und wir hatten eine fantastische Führerin. Es ging um lebende und tote Stararchitekten (leider viel zu wenig Stararchitektinnen), um spektakuläre Hochhäuser, Stadtentwicklung, Straßen, Verkehr und die Aufenthaltsqualität von Plätzen. Immer dabei und immer im Hintergrund präsent: Wie sehr beeinflusst das WIE des Bauens das WIE unseres Lebens darin?
Eine der Besichtigungen, auf die ich mich am meisten gefreut habe, war der Besuch des Sugar Hill Projekts in Upper Manhattan. Gut 17 000 qm auf 11 Etagen; 124 Wohnungen für Menschen mit wenig oder gar keinem Einkommen, viele ehemalige Obdachlose darunter. „Affordable Housing“ nennt man das in den USA, in etwa vergleichbar unseren Sozialwohnungen.
Hier allerdings hatte nicht der Staat gebaut, sondern eine Stiftung, mit einem bekannten Architekten, David Adjaye, in Ghana geboren, jetzt in England lebend, mit vielen Preisen ausgezeichnet und von der Queen als Sir ausgezeichnet. Das Viertel, in dem das Haus steht, befindet sich gerade im Umbruch. Die Bronx und Harlem liegen um die Ecke, doch auch hier beginnt die Gentrifizierung, die Mieten steigen.
Der mächtige schwarze Bau war schon von weitem sichtbar und wirkte fast ein bisschen abweisend. Doch wie anders das Entree: Hell, licht, freundlich. Die damalige Direktorin und charismatische Begründerin der Stiftung, Ellen Baxter, empfing und führte uns durchs Haus. Im Untergeschoss lag das "Sugar Hill Children's Museum of Art & Storytelling". Gerade fand dort eine Veranstaltung für die Nachbarn aus dem Viertel statt: Es ging darum, ihre eigenen Geschichten künstlerisch aufzuarbeiten und in einer Ausstellung zu erzählen. Dazu gab es kleine Galerien, Platz für Ausstellungen und lokale Künstler:innen.
Einfach schlau geplant
Alles war gepflegt; kein Graffito verschmierte die Fahrstühle, Wohnungstüren oder Flure. Wir besichtigten die, jetzt am späten Nachmittag, leere Vorschule für 100 Kinder von 2-6 und ich erinnere, wie beeindruckt wir alle waren: So eine schöne und kindgerechte Einrichtung. Helle Farben, Turngeräte. Die Kinderklos befanden sich schlau geplant im offenen Raum hinter einen halbhohen Wand; genügend Schutz für die Kinder und trotzdem die Möglichkeit für die Erzieherinnen ein Auge auf sie zu werfen. Es gab schönes Holzspielzeug, überall hatten die Kinder kleine Kunstwerke hinterlassen: mir sind vor allem selbst gebastelte Sandalen im Gedächtnis geblieben. Sehr lustig sahen die aus. Hätte ich noch kleine Kinder, hier wären sie bestimmt gut aufgehoben.
Wir sprachen mit einer jungen Frau, ehemals obdachslos, nun schlief sie zum ersten Mal in ihrem Leben in einem eigenen Bett. Auch eine Arbeit hatte sie im Sugar-Hill-Projekt gefunden. Sie war Teil des Concierge-Teams, unten am Eingang.
Zum ersten Mal ein eigenes Bett
Concierge gibt es gerade in New York viele, doch dass die Menschen, die in dem Haus wohnen, dort Dienst tun, das hatte ich noch nie gehört. Die Idee schien mir so simpel wie erfolgreich. Indem die Leute die Verantwortung für ihre eigenes Haus, für ihre eigene Wohnung durch den Job in die eigene Hand nehmen, entwickelt sich ganz automatisch ein Gemeinschaftsgefühlt: „Wir passen eben gut aufeinander auf“, beschrieb es die junge Frau und berichtete von einem jungen Drogenkriminellen, der zwar noch immer deale, sich aber dank des Jobs und des Teams immer wieder aus dem kriminellen Milieu entferne. Ob er wohl heute clean ist?
Alles mitgeplant: Wohnen, Nachbarschaft, Quartiersentwicklung
Als wir mit der U-Bahn wieder nach Downtown in unser Hotel fuhren, diskutierten wir: Was war der Grund des Erfolges? Das viele Geld der Stiftung? Die hauseigene Concierge? Die allgegenwärtige Direktorin? Oder die Grundidee? Dieses Haus war von Anfang an als ein Sozialprojekt geplant worden. Hier ging es von Anfang an um ein Nachbarschafts- und Quartiersprojekt. Dazu gehörte das Museum, dazu gehörten die vielen öffentlichen Flächen im Haus, Planung und Bau der integrierten Concierge. All das hatte die Stiftung berücksichtigt, all dies hatte auch der David Adjaye so geplant.
Tatsächlich fand ich einige Zeit später in einer Zeitung ein Zitat von David Adjaye, das ich hier wiedergebe möchte, weil es so gut passt. Er sagte: „Architektur ist ein sozialer Akt. Es geht darum, Gebäude zu errichten, die ihre Geschichte anerkennen und verstehen. Gleichzeitig schaffen sie etwas ganz Neues, das den Gemeinschaften in ihrer Zukunft zugute kommt.“