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Die einen finden es gut, die anderen befürchten Übles: Über den Verbleib oder das Wegtun von Monumenten wird auch hierzulande in den üblichen Erregungswellen gestritten. Mal türmen sie sich auf, diese Wellen, dann laufen sie wieder flach aus. Passieren tut eigentlich nichts.
So auch beim größten und sicherlich hässlichsten Denkmal meiner geliebten Heimatstadt. In Hamburg steht ein Bismarck-Denkmal (zwischen Reeperbahn und Michel). Es wird gerade mit einem zweistelligen Millionenbetrag saniert. Aktivisten fordern seinen Abriss, denn Bismarck sei ein Gewaltherrscher gewesen und stehe für den Beginn deutscher Kolonialherrschaft. Ein Aktivist hat sogar den Vorschlag gemacht, das Denkmal stehen zu lassen, ihm aber den Kopf abzuschlagen. Derweil schreiten die Sanierungsarbeiten voran.
Da ich erinnere mich nur zu gern an eine Kunstaktion aus dem Sommer 2015. Damals hat im Rahmen des Hamburger Architektensommers das österreichische Künstler-Team Steinbrener/Dempf&Huber den eisernen/steinernen Kanzler zum Gegenstand einer im ursprünglichen Sinne „witzigen“, d.h. geistreichen Intervention gemacht und gezeigt, dass Kunst manchmal einen erbitterten Streit auf ein anderes Gleis setzen kann. Die Künstler haben einfach oben auf das Bismarck-Denkmal einen lebensecht aussehenden Steinbock gesetzt, und schon war all das Massige und Monumentale wie durchgestrichen.
So wird man es nicht bei all den anderen problematischen Denkmälern machen können. Dazu sind judenfeindliche Schmähskulpturen an mittelalterlichen Kirchen oder Denkmäler mörderischer Kolonialisten zu schrecklich. Hier aber passt es. Denn bei Lichte betrachtet ist dieses viel zu große und anachronistische Bismarck-Denkmal eine ziemlich komische Figur. Warum also lässt man Steinbrener/Dempf&Huber nicht häufiger ran?
P.S.: Wer sich von mir mit einer ganzen besonderen Freude anstecken lassen möchte und neugierig ist, was mein gegenwärtig liebstes Kunstwerk ist, klicke hier.
Bismarcks Kopf
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Lieber Herr Claussen,
Ihren „Kulturbeutel“ über Bismarcks Kopf habe ich mit Neugierde gelesen. Der temporäre Steinbock auf dem Kopf des monumentalen Bismarck war ein schöner Ulk, ein staatlich genehmigter Lausbubenstreich, der aber immerhin für einige Tage den Bismarck ins Gerede brachte. Man hat gelacht; aber das war´s dann auch. Denn kurze Zeit später wurden mehr als 10 Millionen Euro aufgebracht, um dem Denkmal wieder seinen alten Glanz zu verleihen. Kühl ignorierte Hamburgs Senat dabei die jahrelangen Bemühungen auch von Menschen, die eine Migrationsgeschichte aus ehemaligen Kolonialgebieten haben. Andere lehnen die Heroisierung Bismarcks ab, weil er u.a. verantwortlich war für Zehntausende von Toten in den sogenannten Einigungskriegen.
Es gibt inzwischen mehrere Vorschläge zu einer entheroisierenden Umgestaltung, die die Perspektive der Opfer der Bismarck’schen Politik einnimmt. In Ihrem Blog machen Sie daraus die Schlagzeile „Aktivisten fordern seinen Abriss“, einer habe sogar vorgeschlagen, Bismarck „den Kopf abzuschlagen“. Diesen Vorschlag hat m.W. bisher kein „Aktivist“ gemacht. Was es gibt, ist u.a. mein Vorschlag, im Kontext einer Dekonstruktion den Kopf des Denkmals, das Sie selbst eine „ziemlich komische Figur“ nennen, abzunehmen und in Erinnerung an den Aufbau des Denkmals 1906 neben diesem zu präsentieren. Es gibt einen Unterschied zwischen Abschlagen und Abnehmen!
Nein, Bismarck war kein Gewaltherrscher und kein mörderischer Kolonialist. Aber er hat als Reichskanzler mit Diplomatie und Schwert die Voraussetzungen für mörderischen Kolonialismus, für eine tödliche Feindschaft gegen Polen und Frankreich geschaffen. Ein witzig gemachtes Bismarck-Monument verharmlost das und ignoriert die Missachtung, die von diesem Denkmal für die Opfer der Bismarck’schen Politik ausgeht.