Willi Weitzel: Mal angenommen, im Drehbuch für einen Krimi steht, Ihr seid Kommissarinnen, sollt einen Verdächtigen überwachen und dabei Kaffee aus einem Coffee to go-Becher trinken. Was sagt ihr der Regisseurin oder dem Regisseur?
Pheline Roggan: Ich würde es sicher ansprechen! Wenn ich drehe, habe ich eh meinen wiederverwertbaren Becher dabei, meinen Recup, also einen Pfandbecher. Ich sage in der Requisite schon vorher Bescheid, dass wir den gern nutzen können. Es gibt leider immer noch viel zu viele Einwegbecher am Set – und viel zu selten Mehrweg-Geschirr.
Miriam Stein: Man liest ja vorher die Drehbücher und redet mit der Regie auch über Dialoge, die einem merkwürdig vorkommen, da kann man solche Dinge auch gleich ansprechen. Je früher umso besser.
Pheline Roggan
Miriam Stein
Pheline: Drehbücher sind selten richtig konkret, was Requisiten angeht. Da steht nur: "Die Kommissarin hat eine Tüte mit Einkäufen in der Hand." Was ich in meiner Rolle gerade gekauft haben soll, erfahre ich oft erst, bevor wir die Szene drehen.
Miriam (lacht): Da guckt immer eine Porree-Stange raus!
Würdet ihr sagen: Ihr besetzt nicht nur eine Filmrolle, sondern spielt auch eine Rolle in der Gesellschaft – als Vorbilder?
Miriam: Du sprichst das "Green Storytelling" an. Welche Bilder, welche Rollen vermitteln Erzählungen? Das ist tatsächlich sehr wichtig. Das heißt nicht, dass wir in Zukunft nur Filme drehen sollen die - wie zum Beispiel "Ökozid" - das Thema des Klimwandels im Zentrum haben. Es geht auch darum, ob Charaktere mit der U-Bahn fahren – oder immer nur mit SUVs? Essen sie Fleisch – oder auch mal vegetarisch? Es geht um Kleinigkeiten, die einen Einfluss haben, aber die Geschichte nicht groß tangieren.
Pheline: Es gibt sicher Figuren, zu denen es nicht passt, wenn sie einen Recup-Becher in der Hand halten. Bei anderen wäre es egal, das gilt es zu überprüfen.
Willi Weitzel
Miriam: Es kommt manchmal das Argument: "Ihr schränkt die künstlerische Freiheit ein!" Das sehen wir nicht so, es ist eher inspirierend und kann neue Ideen anstoßen. Mir fällt viel mehr auf, dass wir durch die Corona-Bedingungen beim Drehen gerade weit mehr in unserer künstlerischen Freiheit eingeschränkt werden, das aber einfach akzeptieren. Es wäre an der Zeit,. den Klimawandel auch ernst zu nehmen und jetzt darauf zu reagieren, indem wir unsere Verhalten ändern.
Willi: Wer macht bei den Changemakers mit?
Pheline: Hast du schon unterschrieben, Willi?
Willi: Mache ich noch, versprochen! Aber haben deine Kolleginnen und Kollegen bei "Jerks" unterschrieben? Christian Ulmen zum Beispiel?
Pheline: Ich habe Christian Ulmen und die Produktion genötigt, Mülltrennung am Set zu praktizieren. Und natürlich Werbung für uns gemacht. Einige Kollegen und Teammitglieder haben unterschrieben, aber andere haben leider noch kein wirkliches Bewusstsein für die Dringlichkeit des Themas.
"Es ist ein Vorurteil, dass grünes Drehen viel teurer ist." - Pheline Roggan
Willi: Es geht nicht nur um Kunst, sondern auch um Geld. Film-Produzenten müssen gut haushalten...
Pheline: Es ist ein Vorurteil, dass grünes Drehen viel teurer ist. Man spart sogar teilweise Geld, wenn man sorgsam mit Energie umgeht. Philip Gassmann, ein Experte für grünes Produzieren, sagt, die Marge sei sehr klein.
Miriam: Bei einer großen Produktion hat grünes Drehen zu Mehrkosten von 2000 bis 5000 Euro geführt, je nachdem wie motiviert und konsequent die Produktion vorgeht.
Pheline: Und wir Schauspieler*innen denken natürlich auch um. Ein Beispiel: Oft gibt es Aufenthaltsräume in Häusern, in denen ohnehin gedreht wird. Warum müssen zusätzlich zu den Räumen im Haus noch beheizte Wohnmobile rumstehen, schlimmstenfalls für jeden Schauspieler eins? Das sind alte Strukturen, das kann man besser machen. Es ist anstrengend, alte Gewohnheiten umzustoßen. Wenn man das einmal geschafft hat, wird es wieder einfacher und vielleicht sogar schöner!
Willi: Über welche Unterstützung habt ihr euch am meisten gefreut?
Pheline: Über die von Regie-Leuten, da es von der Seite bis jetzt erst sehr wenig Engagement gibt. Dass Tom Tykwer unterschrieben hat, ist toll. Babylon Berlin ist nun auch Teil der "100 Grünen Produktionen", das ist ein wichtiger Schritt, um Zahlen dafür zu generieren, was solche großen Projekte emittieren.
Miriam: Vielen haben unsere Idee so verstanden, als seien wir nur für Schauspieler da, aber wir Changemaker wenden uns an alle Gewerke – die Requisite, die Maske und so weiter!
Willi: Was kann die Maske beitragen?
Pheline: Ganz viel! Naturkosmetik einsetzen, auf tierische Bestandteile und Mikroplastik in Pflegeprodukten verzichten!
Willi: Und die Tonmeisterin?
Miriam: Kann Akkus statt Batterien nutzen! Und nicht Departement spezifisch kann man ja auch viel machen, wie mit der Bahn anreisen, weniger tierische Produkte konsumieren und die eigene Wasserflasche mitbringen.
Pheline: Es ist überall Luft nach oben. Warum soll man mich für kleine Ein-Tages-Rollen komplett neu mit einem Kostüm ausstatten lassen, wenn nach ein paar Stunden alles im Müll landet, von der Bluse bis zu den Schuhen? Ich biete generell immer an, ob ich zu Hause eine Jeans habe, die zur Rolle passt. Oder man greift auf den Fundus oder einen Kleider-Verleih zurück.
Miriam: Und wenn man neu kaufen muss, ist es besser, mit nachhaltigen Modeherstellern zusammenzuarbeiten.
Pheline: Die Frage ist ja auch: Was erzählt das denn über eine Figur, dass sie immer neue Sachen trägt? Das ist ja gar nicht immer angebracht, oft stört es sogar. Im echten Leben laufen Menschen auch nicht ständig in ganz neuen Klamotten rum.
Willi: Miriam, wie bist du denn zufrieden mit "Willi und die Wunderkröte", mein Film der hoffentlich dieses Jahr noch in die Kinos kommt. Im Sommer haben wir ja gemeinsam gedreht, und du bist immerhin mit dem Zug von Brandenburg zum Drehort nach Thüringen gereist!
Miriam: Das war ein krasser Dreh, weil wir alle unter Dauerquarantäne standen. Ich durfte nicht mal selbst einkaufen gehen. Und ja vieles war dann eben auch nicht so grün, da hat man sich oft auf Corona Bedingungen ausgeredet.
Willi: Oje, ja die Trinkflaschen aus Plastik für jede und jeden.
Miriam: Und es gab kein Mehrweggeschirr. Aber das geht auch in Corona-Zeiten – man muss es halt gut abspülen.
"Grünes Drehen macht viel mehr Spaß." - Miriam Stein
Willi: Da muss ich mir auch an die eigene Nase fassen! Da springen ja 60, 70 Menschen am Set herum, das würde viel ausmachen. Ihr habt einen englischen Namen, "Changemakers." – wollt ihr Hollywood erobern?
Pheline: Psst, das ist noch geheim! Die Schauspielerei gibt mir viel, aber Veränderung herbeizuführen zusammen mit anderen, die auch etwas - oder die Welt - besser machen wollen, die selber anpacken wollen, das gibt Kraft! Das hat mich durch die Coronazeit getragen und mir gegen meine eigene Klimaangst geholfen.
Miriam: Und mir macht dadurch das Drehen viel mehr Spaß. Man kommt ins Gespräch, was man für die Umwelt tun kann – das macht Sinn!
Willi: Deswegen habe ich diese Reihe gemacht – um mir Inspiration zu holen, was ich besser machen kann. Und das hat geklappt. Vielen, vielen Dank euch und an alle, die mir ihre Bessermacher-Geschichte erzählt haben!