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Halleluja! – Halleluja?
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
11.09.2020

Der Geist weht, wo er will – auch musikalisch. Man hört sein Rauschen und Klingen wohl. Aber so recht versteht man es nicht. Wie zum Beispiel konnte es dazu kommen, dass kaum eine Taufe, Trauung, Konfirmation oder Beerdigung mehr ohne Leonhard Cohens „Hallelujah“ auskommt? Natürlich, das Lied ist schön. Wie immer bei Cohen fragt man sich zwar, ob es Kitsch oder Kunst ist. Aber nach längeren Nachdenken sagt man sich: „Das ist doch egal.“ Auch der Refrain ist offensichtlich kirchentauglich. Aber der Text dazwischen?

Mein Kollege Klaus-Martin Bresgott und ich haben versucht, Cohens Lied einen deutschen, passenderen Text unterzuschieben. Ein heikles Unterfangen. Aber für ein Chorliederbuch, das wir gerade veröffentlicht haben, wollten wir es einmal versuchen. Unser Ergebnis fanden wir gar nicht mal so schlecht. Leider haben die Rechteinhaber uns verboten, unsere Verse mit Cohens Noten zusammen abzudrucken.

Vielleicht ist es von Interesse, was wir versucht haben. Denn unsere Übersetzung steht – wie die andren 23 Lieder unseres Buches – für die schöne, schwere Frage, welche geistlichen Lieder wir heute noch oder gerade wieder singen können. Lesen Sie selbst, aber wagen Sie es ja nicht, das Folgende zu singen! Sie könnten sonst böse Post von einem US-amerikanischen Rechtsanwalt bekommen.

 

Ich hebe meine Augen auf,

das neue Licht nimmt seinen Lauf,

ein Lied erwacht, beginnt in mir zu schwingen.

Mich ruft der Tag, die neue Zeit,

ich stehe auf und bin bereit,

das Lied erfasst mich, trägt mein Halleluja.

 

Dies Halleluja geht voran,

es bricht sich eine freie Bahn,

lockt in die Welt und öffnet neue Weiten.

Ich spüre, wie sein Atem fließt,

sich in das weite Land ergießt,

es klingt nicht mehr allein, mein Halleluja.
 

Wer Ohren hat und wer es hört,

der ist erstaunt, wird kurz verstört,

doch dieses Halleluja führt ins Leben.

Die Maske fällt dir vom Gesicht,

dein Auge wendet sich zum Licht,

die Seele wird berührt vom Halleluja.
 

Es strahlt durch einen kleinen Spalt,

mit zarter, göttlicher Gewalt,

wir atmen auf, befreit, mit offnen Sinnen

und sehn die Welt als bessren Ort,

dies leichte, feine, freie Wort,

wird unser Lied, ist unser Halleluja.

 

P.S.: Wer das Chorliederbuch „Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit“ gegen eine Schutzgebühr erhalte möchte, wende sich vertrauensvoll an kultur@ekd.de

P.P.S.: In meinem Podcast gibt es jetzt ein Gespräch über ein düsteres Thema: Religion bei Rechtsextremen. Mit dem Experten Henning Flad. Man kann dies über die Website von reflab oder Spotify und nun auch bei Apple Podcasts hören.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur