"Kannst du nicht was spielen?"
Tim Wegner
27.07.2020

Arbeit im Homeoffice, die Kinder daheim, das kennen Mütter und Väter seit Corona gut. Leider hat da jeder ein anderes Bedürfnis, Eltern wollen ihre Arbeit schaffen, Kinder wollen spielen. Was erzählen. Was essen, trinken, aufs Klo, Fernsehen gucken, was vorgelesen kriegen. Oder endlich an den Badesee wie der kleine Mika aus "Seepferdchen sind ausverkauft". Sein Papa muss aber irgendwas fertig machen. Er sitzt zu Hause am Schreibtisch, die Haare wirr, die Augen auf den Bildschirm gerichtet. Dieser Papa, dem man gar nicht böse sein kann, sagt Sätze wie: "Wenn du mich in Ruhe arbeiten lässt, bin ich auf jeden Fall schneller fertig", "Kannst du nicht was spielen?", "Klingel doch nebenan." Oder einfach nur noch: "Bald."

Mein Kindergartenkind, dem ich das Bilderbuch vorlese, kichert und kichert, kennt es das doch ganz genau. Was für ein glückliches Händchen der Frankfurter Moritz-Verlag hatte, als er im Februar schon dieses zauberhafte Buch von Katja Gehrmann und Constanze Spengler veröffentlichte – und nun können sooo viele mitreden!

Jedenfalls bequatscht der kleine Mika seinen Vater, ein Haustier anschaffen zu dürfen. Und dann zieht Mika los - mit Papas Portemonnaie. Er kauft eine Maus. Am nächsten Tag einen Hund, weil der die verschwundene Maus bestimmt erschnüffeln kann. Am Tag darauf einen Seehund, weil der Hund ins Bad gepinkelt hat. Und so weiter. Der Junge ist beschäftigt, der Papa hat seine Ruhe - und merkt nix von dem Zoo, der sich da in seiner Wohnung etabliert. Im Kinderbuch ist der Vater wirklich irgendwann fertig mit der Arbeit. Aber im echten Leben fragen sich gerade vermutlich viele Eltern, ob das so dolle ist mit der vielen Arbeit und den blöden Ausreden gegenüber den Kindern...

"Seepferdchen sind ausverkauft" von Katja Gehrmann und Constanze Spengler, Moritz-Verlag, 48 Seiten, 14 Euro
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