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Vom etablierten Feuilleton nicht wahrgenommen, aber von einer festen Fangruppe innig verehrt, schreibt der mitteljunge deutsche Lyriker Storm Linné Verse für Menschen, die ganz weit rechts außen stehen, aber mit Macht in die Mitte drängen. Sie klingen dunkel, raunend, geheimnisvoll, hasserfüllt, gewaltträchtig. Sie erinnern an Stefan George, sind aber auch ein Echo auf den Sound rechter Empörungsblätter und -politiker sowie terroristischer Internet-Verlautbarungen. Auch über die evangelische Kirche hat Storm Linné ein Gedicht verfasst. Es geht so:
Und wenn auch brunst-geschmeiß und vieh die kirchen fluten
Wenn hass aufs eigne schrill von den altären klingt
Wenn üble priester mann und mann vermählen
Und grauser chor der massen herrschaft singt
So bleibt uns doch der größte dom von allen
Wo wahrhaft frommer sang durch kuppeln hallt
Wo licht durch säulen bricht und grüne ornamente
So bleibt uns doch der ewig deutsche wald.
Zum Glück gibt es Storm Linné nicht. Er ist eine Erfindung des Schriftstellers Jörg-Uwe Albig. Seinen Roman „Zornfried“ aus dem vergangenen Jahr hatte ich mir gekauft, weil wir früher zusammen Fußball gespielt haben, habe ihn dann aber erst mit etwas Verspätung gelesen. Doch er ist weiterhin brandaktuell, gerade jetzt. Albig erzählt von einem rechtsextremen Dichter und seinem Umfeld so, dass viele beabsichtigte Ähnlichkeiten zu heute lebenden Persönlichkeiten aus diese Lager aufscheinen. Jedem Kapitel hat Albig ein selbstverfasstes Linné-Gedicht vorangestellt. Sie sind dem Denk- und Sprech-Stil der Neo-Nazis (warum sagt man eigentlich immer „Neo-“?) so nah, dass man manchmal vor Lachen schreien will. Dabei sind sie gar nicht lustig, sondern bloß präzise und deshalb zum Fürchten.