- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können
Auf dem Weg zu meinem Büro in der Mitte Berlins komme ich an einem Museum vorbei, das ich mich jedes Mal wieder ins Nachdenken bringt: das „Museum der Stille“. Zwar bin ich schon einmal drin gewesen und habe es mir angesehen. Aber richtig verstanden habe ich seinen Sinn und Zweck dennoch nicht. Seither überlege ich, wenn ich auf meinen täglichen Arbeitswegen an ihm vorbeigehe, ob es nicht stellvertretend für viele ähnliche Kultureinrichtungen steht.
Natürlich, natürlich es kann gar nicht genug Kultur geben, und jedes Museum ist einzigartig und schützenswert. Aber manchmal frage ich mich doch, ob der Drang und die Möglichkeit in Deutschland, für jedes noch so abgelegene Thema und jeden noch so halbbedeutenden Künstler ein eigenes Museum zu schaffen, nicht auch eine Falle ist. Ich kenne die Engagierten und ihre Sehnsucht: Wir brauchen für unser Thema ein Museum! Ich kenne die Not der Erben und Nachfahren von Bildhauern oder Malerinnen: Wohin mit dem Werk von Vater oder Mutter? Ich habe sogar schon von Privatleuten gehört, die ihr Familienhaus und ihre Familiengeschichte in ein Museum verwandelt haben.
Mich rührt das, mich interessiert das, mich lässt es aber auch leise schaudern. Gegen meine grundsätzliche Museophilie frage ich mich dann: Lebt eine Biographie, eine Familie, ein Thema, eine Kunst, eine Kultur nicht auch vom Abschiednehmen? Soll wirklich alles aufbewahrt und ausgestellt werden? Wer soll das bezahlen – wichtiger noch: wer soll sich das alles ansehen? Und wo bleibt dann der Platz für Neues? Vielleicht brauchen wir einen Kulturort, an dem wir das Wegtun einüben: ein „Museum des gezielten Vergessens“ – ach nein, das wäre ja wieder eins.
P.S.: Am vergangenen Freitag war die „Süddeutsche Zeitung“ so freundlich, einen Artikel von mir über Evangelikale weltweit und in Deutschland zu veröffentlichen. Wen das interessiert, der klicke hier.