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Unlängst fanden die Kinder vor unserer Tür eine Maus. Die war offensichtlich von der Nachbarskatze erwischt worden. Sie atmete noch, aber ihr Zustand ließ darauf schließen, dass es ihr nicht besonders gut ging. Meine Tochter verlegte das arme Ding an einen geschützten Ort und versorgte es noch mit Körnern – am nächsten Morgen jedoch war es tot.
Sie aber durchlebte alle möglichen Trauerphasen: Verzweiflung und Mitleid, große Wut (auf das "Katzenvieh") und viele Tränen. Gespräche waren nötig, über das Leben und den Lauf der Dinge. Und ein Begräbnis, in der Nähe des Maulwurfgrabes, das mein Sohn vor einiger Zeit angelegt hatte (hier war wohl ein PKW der Verursacher der Trauer gewesen).
"Warum ist die tot?"
Solche Anlässe – so unangenehm sie sein mögen – sind gut, um all das zu üben: Trauern, über den Tod reden, Abschied nehmen. Sie sind also regelrecht "pädagogisch wertvoll". Aber nicht immer verlaufen sie so, wie man es vielleicht erwartet. Zumindest nicht bei meiner Tochter.
Sie war wohl noch keine drei Jahre alt, als meine Frau und sie in der Nähe des Spielplatzes auf eine tote Taube stießen. Diese war kein schöner Anblick: halb ausgeweidet, halb verwest. Meine Frau versuchte deshalb zuerst, die Kleine in einem Bogen drum herum zu lenken. Die aber entdeckte natürlich ganz schnell das verendete Tier – und begann sofort zu fragen. "Was ist mit der Taube?" "Die ist tot." "Warum ist die tot?" "Das weiß ich nicht. Vielleicht war sie krank, vielleicht hat ein anderes Tier sie getötet." Meine Frau versuchte, bei der Wahrheit zu bleiben, auch als es ans Eingemachte ging: "Warum hat die keinen Kopf mehr und warum hängen da so Sachen aus dem Körper raus?" "Na ja, wahrscheinlich hat ein anderes Tier, zum Beispiel ein Marder, etwas von der Taube gefressen, das ist in der Natur so…" Meine Frau hielt die Luft an, während das Gesicht unserer Tochter einen undefinierbaren Ausdruck annahm. Flossen jetzt gleich die Tränen? Wie würde dieses Gespräch weitergehen? War das Kind nicht noch sehr jung für eine so direkte Konfrontation mit den Härten des Lebens – und des Todes?
Etliche Augenblicke verstrichen, während das Mädchen grübelte. Dann blickte sie meine Frau an und sagte entschlossen: "Das will ich auch mal probieren. Wie schmeckt Taube?"