privat
Die Kirche – eine Rattenfalle?
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
22.05.2019

Das Sprengel-Museum in Hannover hat umgeräumt. Bei meinem jüngsten Besuch stieß ich auf ein Werk, das entweder bisher im Depot war oder das ich übersehen hatte. Jetzt aber stand ich davor: eine kleine Kirche, brav zusammengebastelt und bunt angemalt wie von Kinderhand, oder wie Erwachsene sie in ihren Vorgarten, einen Streichelzoo oder eine Minigolf-Anlage stellen würden. Eine winzige Tür führt ins Innere. Was sich darin befindet, ist nicht zu erkennen.

Ich ging zum Schild an der Wand darüber und las:

Andreas Slominski

(1959 Meppen, lebt in Berlin und Hamburg)

Rattenfalle, 2000

Holz, Metall und Farbe

„Ach, der Slominski mit seinen Fallen!“, dachte ich als erstes. Denn ich erinnerte mich an viele aufregende und verstörende Installationen, mit denen dieser Künstler Ende des vergangenen Jahrhunderts bekannt wurde: fantastische, bitterböse, bitterkomische Fallen in den unterschiedlichsten Formen und Größen. Scheinbar harmlos lagen oder standen sie da, lockten den Blick des Betrachters an, sogen ihn in sich hinein, verwandelten Kunstgenießer in Tiere in höchster Gefahr. (Eine von ihnen mit dem Titel "Pudelfalle" befindet sich in unmittelbarer Nähe zur "Rattenfalle".)

Aber die Kirche als Rattenfalle? Ob ich mich darüber ärgern oder davon gar angegriffen fühlen sollte, fragte ich mich als nächstes. Doch dann versuchte ich, mir lieber ein paar kühle Gedanken zu machen.

Wenn ein Künstler eine gute Idee hat, ist er ja stets in der Gefahr, daraus ein Muster, ein Modell, eine Marke, eine Masche zu machen. Das etabliert ihn am Markt, wird aber schnell zum ästhetischen Problem. Das kann man in diesem Fall beispielhaft sehen.

Denn anders als bei Slominskis bisherigen Installationen verdankt sich die künstlerische Pointe hier allein der Benennung, die auf dem Schild zu lesen steht. Das Werk in seiner Dinglichkeit dagegen ist ohne jeden Reiz, eine bildliche Banalität. Slominski wendet hier die bekannte Methode simpel gestrickter Karikaturisten an, die, weil sie nicht wissen, wie sie einen Witz ins Bild setzen können, stattdessen irgendwelche Dinge und Figuren zeichnen und dann Begriffe wie „Europa“, „Flüchtlingskrise“ oder „Dieselskandal“ darauf schreiben. Das Bild selbst sagt nichts, die Beschriftung soll es retten. So auch hier. Schade, dass Slominski mit diesem Werk das Niveau unterschritten hat, das er mit früheren Arbeiten selbst etabliert hatte.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur